Digitale Astlöcher, Kritik und Selbst-Initiative

Nach dem Artikel Offline Filesharing: Digitale Astlöcher mit USB und WLAN im Netzpolitik-Blog, der auf ein Projekt Dead Drops von Aram Bartholl verwies, erwuchs eine Diskussion unter einigen Netizens und Piraten, ob man dieses nicht auch unterstützen sollte durch öffentliche „P2P“-USB-Tankstellen.

Zynisch könnte man jetzt fragen, ob wir auf solche (alten) Ideen nur dann kommen, wenn im Netzpolitik-Blog irgendsowas steht ;=)
(Bitte als kleines Späßchen verstehen, nicht als blöde Troll-Polemik)

Wie auch immer: Die Idee ist nicht so neu. Es gab/gibt entsprechende Umsetzungen meist „experimenteller“ Natur und damit oft leider temporär schon häufig, wenn es um die physikalischen „Briefkästchen“ ging.

Probleme dabei sind meist: Haftungsfrage, Wartung und Missbrauch.
Die Haftungsfrage wäre in D sicher schnell geklärt. Da wird der Eigner der Immobilie hergezogen. Und der mag dann die Haftung ggf. an andere Personen weitergeben.

Wartung: So ein Ding hält halt nicht ewig. Irgendwann ists verbogen, mit Kaugummi gefüllt oder einfach Schrott.

Sicherheit: Ja, Viren und Schadsoftware: Immer wird es Leute geben, die gute Dinge missbrauchen werden. (Und Schuld sind dann meist nicht diese Idioten, sondern die Leute die es nicht hinreichend gegen alle Fälle abgesichert haben, gelle?)

Wer sich allerdings aus guten Beweggründen an so ein Projekt beteiligte, sich dann aber von vermeintlichen Sicherheits-Experten anmaulen lassen muss (die allerdings selbst keine Lösung bieten und auch selbst nicht aktiver sind), wird bald keine Lust mehr haben.
Und damit ist das ganze Projekt sehr schnell tot. Es mögen zwar viele Dutzend Leute es benutzt haben und sich drüber gefreut habem, das es existiert. Aber dann kommt ein Vandale oder Besserwisser an, der das Projekt (als Lerneffekt für den Betreiber! Haha!) sabotiert und schon ists aus damit.

Das Kernproblem erscheint mir bei solchen Projekten also vielmehr die Akzeptanz und Tolleranz der Gesellschaft, „User“ und „Kritiker“.

Wenn ich in der freien Natur wie früher in ein Astloch reingreife, in der mein Liebstes ein Brief versteckt haben könnte, muss ich selbst aufpassen, ob da nicht zufälligerweise auch ein verärgertes Wieselweibchen sein Nest drin aufgebaut hat und mich beisst. Oder ob andere Aspekte von Mutter Natur dazu führten, daß mich bei einem Griff hinein ein etwas ekliges Erlebnis erwartet.
Aber wenn ich mal unvorsichtig gewesen wäre und von irgendwas gebissen wurde, würde ich dann den Besitzer des Baumes verklagen?

Nun, wenn man eine kleine Szene besteht aus Leuten, die allesamt miteinander arbeiten und der Respekt für den anderen vorhanden ist. Eine IT-Szene wie etwa zwischen 1994 und 1998 etwa. Dann wäre dieser Gedanke abstrus.
Nur manche würden genau das doch tun! Und am Anfang wären es sehr wenige, derren Ansinnen in der noch kleinen Szene auf Empörung stieße. Doch später, je etablierter der „Dienst“, würden es mehr sein, die einfach mit einer Erwartungshaltung da dran gehen, als ob sie
da eine Dienstleistung garantiert zu bekommen hätten. Und wehe dem Anbieter, wenn nicht. Und überhaupt hat der Anbieter bitte seine (digitalen) Kontaktdaten anzugeben. Wo kommen wir denn hin, wenn man erst im grundbuchamt nachschauen müsste wem das Grundstück gehöre und wer also verantwortlich sei!

Eine Impressumspflicht für Bäume muss her!
Und wehe es ist nicht korrekt und ausführtlich, sonst setzt es eine Abmahnung!
Und überhaupt – wie steht es mit der Zugänglichkeit? Das Astloch hat gefälligst gemäß W3C-Standard XYZ valide zu sein und USB unter Version 2.0 geht schonmal garnicht!

Ernsthafter Spaß beiseite: Worauf ich hinaus will ist folgendes: All das was im Netz (aber auch real) freiwillig und im guten Willen angeboten wird, muss auch gesellschaftlich als wertvollen freiwilligen Einsatz angesehen und respektiert werden.

Einen geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!

Sobald man in einem freiwilligen Engagement jedoch eine Dienstleistung sieht, vergeht der Respekt vor dem Einsatz des Einzelnen, der da für die Gesellschaft was tun will. Denn mit der Sichtweise als reine Dienstleistung erwächst eine Art von Anspruchshaltung. Jegliche Anspruchshaltung gegenüber diesem freiwilligen Engagement ist aber absolut Fehl am Platze.
Sei es darin, daß man gewisse Mindeststandards fordert, sei es das man Sicherheitskriterien erfüllt haben möchte.

Wer also jetzt sagt, ‚Toll, das ist eine gute Sache mit dem toten Astlöchern aber solange „die“ nicht dafür sorgen, daß es sicher genug ist (gegen Viren, Troyanern, Auspitzelung, etc), ist es scheisse‘, der möge bitte aufhören mit Änderungsvorschlägen und Unkenrufen das vorhandene schlecht zu machen und Änderungen zu fordern (obwohl man selbst nichtmal aktiv mitmacht), sondern selbst vorlegen.

Im SELFHTML-Forum gab es vor einigen Jahren lange Zeit eine Art Leitspruch der Moderatoren.
Immer wenn jemand über freie Anleitungen oder Skripten gejammert hat, wie schlecht die doch seien, gab es die Antwort: „Hier hasst du ein „I“. Das steht für Selbst-Inititative. Ergreife sie und mach es besser“

Ich würde mir wünschen, daß dieser Leitspruch, dieser Tenor, wieder etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen würde.