Ist die Barrierefreiheit tot?

Es ist still geworden um das Thema Barrierefreiheit.
Das könnte in der Theorie zwei Gründe haben. Der erste Grund wäre positiv: Das Ziel wurde erreicht. Barrierefreie Webangebote gehören so sehr zum alltäglichen Standard, dass keiner mehr drüber reden muss. Es ist Teil eines jeden Webauftritts; Ähnlich wie ein Sicherheitsgurt im Auto ist es dabei und niemand kommt mehr auf die Idee, dass es etwas besonderes sei. Und kein seriöse Händler würde auf die Idee kommen, hierfür noch extra Geld zu verlangen.

Der zweite mögliche Grund wäre dagegen negativ: Wir haben den Kampf verloren.
Über Barrierefreiheit redet keiner mehr, weil man nicht mehr darüber reden will. Entwickler und webaffine Menschen, aber auch Designer haben sich von den vielen neuen und coolen Features die im Zuge der sozialen Netzwerke und der immer größeren Vernetzung kamen, becircen lassen. Hinzu kam auch, dass HTML5 und CSS3 nun endlich alltagstauglich wurden und ein riesigen Schatz und neuen Möglichkeiten eröffneten, die man ausprobieren möchte. Für Barrierefreiheit blieb und bleibt da keine Zeit.

Ich fürchte, dass zweite ist eingetreten: Die Barrierefreiheit im Internet ist todkrank. Und wenn noch nicht der Krankheit erlegen, so leidet sie doch nun an einer tödlichen Krankheit.

Nicht allein, dass viele Leute die sich in den letzten Jahren für das Thema einsetzten, kaum noch etwas dafür tun. Das Problem ist größer geworden: Durch das Nachlassen des Aufklärungsdrucks (kaum noch Artikel aus der Szene, keine oder wenige Schulungen oder Vorträge, dem Ende des einzigen seriösen Wettbewerb in Deutschland, dem BIENE-Award, der die Agenturen anstachelte etwas zu tun) einerseits und durch die fast völlige Sprachlosigkeit aus der Politik seitens der zuständigen Behindertenbeauftragten und der Verbände, ist das Thema nachhaltig aus dem Fokus verschwunden.

Es ist, als ob all die Arbeit die sehr viele Menschen zwischen 2001 und 2009 leisteten, nicht geschehen sei. Allenfalls einige wenige Relikte in Form von alten Webseiten und nur mehr mangelhaft betreuten Webprojekten sind übrig geblieben.

Wie sehr das Thema inzwischen aus dem Fokus von Webentwicklern oder netzaffinen Menschen entschwunden ist, spürt man deutlich, wenn man in Kontakt mit Entwicklern anderer Webprojekten kommt, bei denen für den Experten offensichtliche Mängel vorhanden sind.
Wenn ich die zuständigen Entwickler darauf ansprach, warum ihre Website denn nicht barrierefrei sei, erhielt ich nach einer kurzen sprachlosen Schockzeit die üblichen Antworten, wie ich sie auch aus dem Jahr 2004 noch kannte: Man wollt die Barrierefreiheit nachträglich noch hinzufügen, man sei nur noch nicht dazu gekommen. Oder aggressive Antworten, wie die, dass man von Projekten die ehrenamtlich geleistet werden, so was nicht erwarten könne und überhaupt würde der Vorwurf, dass man nicht barrierefrei sei, bestimmt nicht dazu beitragen, dass man dies verbessere…
Selten wurde auch unumwunden zugegeben, dass man davon überrascht wurde. Vor wenigen Tagen musste ich gar jemand, der seit einigen Jahren selbst im Netz ist und schon Internetprojekte mit überregionalen Bezug programmierte, erklären, welche gängigen Testverfahren es denn gäbe (BITV-Test 2 und WCAG 2.0 Konformitätsprüfung).
Das auch Leute mit den längst wiederlegten Märchen der Mehrkosten kommen, ist ebenfalls nicht mehr verwunderlich.

Mich störte bei den Antworten weniger die Gruppe derjenigen, die ehrlich zugeben, dass sie es nicht im Fokus hatten.
Viel mehr schockiert mich etwas, was selbst vor 10 Jahren nicht oder nur selten vorgekommen ist: Eine Art schulterzuckende Resignation im O-Ton:

Ja, wir sind nicht barrierefrei. Das ist nicht schön. Aber da kann man halt nichts machen.

Sehr ausgeprägt ist dieses Verhalten auch bei der Nutzung von Tools und Werkzeugen aus dem Social Media in der eigenen Website.
So zum Beispiel Captchas, bei denen eine Variante genommen wird, die keinen alternativen Zugang ermöglicht. Auf Anfragen, doch ein anderes zu nehmen oder dieses Technik ganz abzuschaffen, wird meist nicht reagiert. Ähnlich das Verhalten bei Fanpages in Facebook. Einige dieser Pages sind so eingestellt, dass sie nur mit einem gültigen Login abgerufen werden können. Dabei ist eine öffentliche Nutzung durchaus möglich. Doch anstelle den „Aufwand“ zu betreiben, diese eine Konfigurationseigenschaft umzustellen, werden unsinnige Gründe vorgeschoben, darunter die eigene Unwissenheit. Und oftmals kommt später dann auch hier keine weitere Reaktion.

Das unangenehme Thema belastet das Gewissen, deswegen will man nichts hören, nichts sehen und nichts lesen.

Und den Spiegel vorgehalten bekommen, mag schon niemand gern:
Geradezu Heuchlerisch wird das ganze Thema, wenn einige Website-Betreiber sich vorher noch in offenen Briefen gegen Extremismus und Diskriminierung wenden. Dann aber eigene Websites betreiben, die so gestaltet sind, dass zwischen 3 und 7% aller Menschen dort ausgeschlossen werden, dies durchaus wegen eingegangener Beschwerden wissen und trotzdem auf ein (kostenfreies!) Hilfeangebot zur Verbesserung der Situation nicht eingehen wollen.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Was das Thema Barrierefreiheit angeht, hab ich den Eindruck, wir sind wieder im selben Zustand wie im Jahr 2004.
Mit einem gewichtigen Unterschied: Viele der alte Hasen, der Netizens, die damals das Thema vorantrieben, sind heute nur noch frustriert und wenden sich daher neuen Themen zu.

Man bedim len?
(Sindarin: Wohin gehen wir?)

23 Kommentare zu “Ist die Barrierefreiheit tot?

Kommentarfunktion ist geschlossen.

  1. Danke für die Anregung. Bei mir/uns verliert das Thema Zugänglichkeit leider auch immer wieder ab einem bestimmten Level an Aufmerksamkeit. Aus den Gründen, die Du nennst.

    Für die Zukunft mal wieder mehr nach vorne rücken. Check.

  2. Hallo xwolf,

    die Antwort liegt nach meiner Meinung irgendwo in der Mitte. Es gibt inzwischen diverse CMS wie Drupal, WordPress, Contao o. ä., deren Standard-Themes viel mehr an Barrierefreiheits-Features enthalten als 2004. Die Leiter dieser Projekte haben das Thema definitiv auf dem Radar. Ich bekomme als Mitarbeiter von Mozilla immer wieder Anfragen aus diesen Communities zu bestimmten Techniken zur Umsetzung in Firefox und unterstützenden Screen Readern.

    Viele Blogs und andere Seiten sind von daher deutlich barrierefreier als sie es 2004 gewesen wären. Hier ist also definitiv eine deutliche Verbesserung erkennbar. Und das merke ich im täglichen Umgang mit Seiten deutlich!

    Auch haben diverse HTML5-Techniken die Barrierefreiheit weiter verbessert. Gerade was Forumlare angeht, so sind die Validierungsmechanismen in modernen Browsern der Barrierefreiheit ohne Zutun des Webentwicklers schon deutlich zuträglich.

    Auf der anderen Seite stimmt es, dass gerade im deutschsprachigen Raum es im Jahr 2011 einige Veränderungen zum großen Nachteil der Szene gegeben hat. Da ist zum einen die Tatsache, dass die Aktion Mensch ihren Fokus deutlich verschoben hat (wie still es auf einfach-fuer-alle.de geworden ist, spricht Bände!), und zum anderen, wohl auch bedingt durch den ersten Punkt, Menschen wie Tomas Caspers wesentlich weniger Öffentlichkeit dadurch erfahren. Tomas war ja einer der Hauptschreiber für das Einfach-Für-Alle-Blog.

    Der Wegfall des Biene-Awards nach 2010 ist ein weiterer wichtiger Punkt.

    Aber auch die doch recht entmutigenden Diskussionen mit dem BIK um die BITV 2.0 schreckt mit Sicherheit einige Leute ab. Die Verwirrung um die Inkonsistenzen zwischen der BITV 2.0 und der WCAG 2.0 sind groß, zumal die Änderungen, die die BITV 2.0 gegenüber der WCAG 2.0 vollzieht, größtenteils schlicht nicht nachvollziehbar sind und nie vernünftig begründet wurden. Ich bin inzwischen übrigens dazu übergegangen, mich fragenden Webentwicklern zu sagen: „Haltet euch an die WCAG 2.0 Doppel-A, dann seid ihr auf der sicheren Seite. Wenn ihr nicht für den Bund entwickelt, ignoriert die BITV 2.0 komplett.“

    Dass HTML5 und CSS3 und Barrierefreiheit sich nicht gegenseitig ausschließen, zeigen meiner Meinung nach aber diverse Weiterentwicklungen in den Browsern des letzten jahres. Sogar Canvas ist in Firefox Betaversionen inzwischen zugänglich! Auch die Biene in Gold, die das Team des BPSE (Best Practices Stammtsich Essen) 2010 in Berlin für den Auftritt der Lebenshilfe Duisburg e.V. gewonnen hat, zeigt, dass man mit moderner Webentwicklung sehr viel im Bereich Barrierefreiheit erreichen kann.

    Ich kenne mehrere Agenturen in Deutschland, die inzwischen gar nicht mehr fragen, ob sie etwas barrierefrei gestalten sollen, sondern bei denen es zum Standardumfang gehört.

    Der Punkt, in dem ich Dir hier am meisten aber zustimme, ist der, dass wir zur Zeit viel zu wenig über das Thema öffentlich sprechen, sei es auf Twitter, in Blogs oder anderswo. Im zumeist englischsprachigen Ausland ist dies nicht so. WebAIM, die Paciello Group und andere Autoritäten auf diesem Gebiet sind sehr aktiv. Anglophile deutsche Webentwickler bekommen auch hier die nötigen Infos zu neuesten Entwicklungen.

    Ein Punkt ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Webkonferenzen in Deutschland zum Thema stark zurückgegangen sind. Überhaupt scheint die Zahl der wirklich guten und großen Webentwickler-Konferenzen in Deutschland sehr stark rückläufig zu sein, so dass auch das Thema Barrierefreiheit kaum noch eine Chance hat, wieder mal ein überregionales Publikum zu erreichen. man liest von der Frontiers Conference in Amsterdam und anderen im Ausland stattfindenden Konferenzen, aber von deutschsprachigen so gut wie gar nichts mehr. Lediglich regionale Veranstaltungen wie der Multimediatreff in Köln machen regelmäßig auf sich aufmerksam.

    Vielleicht bekommt man ja u. a. über diesen Blogeintrag wieder ein bisschen Schwung in die ganze Angelegenheit! Das wäre zumindest meine Hoffnung. Ich weiß, dass viele Webentwickler vor rein englischsprachigen Konferenzen zurückschrecken und daher ein doch nicht ganz unwesentlicher Teil des Publikums von Konferenzen wie der Frontiers nicht erreicht wird.

    Grüße aus Hamburg
    Marco

    p.s. Mit Google+ hast Du Dir als zweiter Veröffentlichungsplattform übrigens das mit am wenigsten barrierefreie soziale Netzwerk ausgesucht. ich bin sehr froh, dass der Artikel auch auf Deinem Blog steht, ich hätte sonst nicht kommentieren können. ;-)

  3. Hallo Wolfgang,

    ich kann Deinen Artikel, beziehungsweise Deine Einschätzung nur bedingt nachvollziehen. Das kann aber auch durchaus daran liegen, dass wir als Agentur uns sehr explizit auf das Thema Barrierefreies Webdesign und barrierefreie Informationstechnologie spezialisiert haben. Wir werden also hauptsächlich deshalb beauftragt und haben sicherlich einen beschränkten Blick auf das, was außerhalb unseres Auftraggeberkreises passiert. Und die Agenturen und Dienstleister, die sich in gleichem Maße spezialisiert haben – ich denke auch an die wenigen Experten im Bereich barrierefreie PDF – werden vermutlich ebenfalls nicht von einem Einbruch oder plötzlichem Desinteresse auf Kundenseite sprechen können. Ganz im Gegenteil führen die viele technologischen Weiterentwicklungen eher zu ganz neuen Fragestellungen, die aber möglicherweise den durchschnittlichen Dienstleister, der nur gelegentlich mal etwas mit Barrierefreiheit zu tun hat, überfordern. Ich denke an das Thema Mobile Web ebenso, wie die Herausforderungen im Bereich Social Media. Die Anforderungen ein Dienstleister im Bereich der Barrierefreien Informationstechnologie sind in den vergangenen Jahren einfach extrem gewachsen.

    Was die BIENE angeht: Ist die Information, dass die BIENE nicht mehr stattfinden soll, definitiv? Ich persönlich habe mir gerade nämlich auch die Frage gestellt, ob da noch mal was kommt?!

    Beste Grüße, Jörg (anatom5 / Barrierekompass)

  4. Es gibt vielleicht noch eine dritte Antwort: (Fast) jeder Webdesigner kann mehr als vor 10 Jahren, das Niveau der Barrierefreiheit ist gestiegen. Gleichzeitig sind die Barrieren im Schnitt nicht mehr so riesengroß mit der Folge, es beschweren sich weniger … bis hin zu, es gibt weniger Ausgaben dafür.

    Tendenz zu Deiner zweiten Antwort. Immer noch werden Hintergrundgrafiken eingesetzt, immer noch wird nicht mit der Tastatur getestet. D.h. auch wenn Leute jetzt Überschriften einsetzen und Layouts mit CSS machen, ist vieles noch nicht barrierefrei.

  5. Die Kundengruppe, bzw. die Kreise mit denen man zu tun hat, spielt sicher eine Rolle bei der Sichtweise.

    Bei mir ist es so, dass ich zumeist explizit nicht wegen Barrierefreiheit angesprochen werden. Die „Kunden“ sindmeist irgendwelche Leute, die schon einen Webauftritt haben oder einen solchen angefangen haben. Da zeigen sich dann probleme und die Leute fragen dann bei mir an in der Hoffnung eine schnelle Lösung zu bekomen.

    Als Beispiel die „harmlose Frage“: Ich möchte oben rechts auf der Seite die Flagge zu den englischen Seiten haben. Wie mach ich das.

    Natürlich ist die simple Antwort die, dass man einfachmit den Code anwortet wie man ein Image irgendwo hinpositioniert. Aber wenn dann genauer auf die Website schaut, merkt man dann dass dieser Kunde sich keine Gedanken machte über die Taxonomie und die Pflege der Inhalte. So ist die Frage, was denn mit der Navigation passiert, wenn es plötzlich anderssprachige Seiten in einem deutschen Webauftritt gibt, garnicht mehr so trivial. (Vorallem wenn die Inhaltsautoren im CMS nur einfache WYSIWYG-Editoren bedienen und Angst haben irgendwas mit den Optionen zu machen.) Auf einmal geht es auch um die korrekte Deklaration des Sprachwechsels; Was wiederum Einfluss auf das Templatesystem nimmt und so weiter und so fort.
    Man hebt an einer kleinen Ecke den Teppich an… und findet den Mount Everest darunter.

    Und ähnliches auch bei Webauftritten, die nicht zu meinen Kundenkreis gehören.

    Es gibt sicherlich viele Websites bei den inzwischen die Basics drin sind. Einfach weil zum Beispiel jemand glücklicherweise auf ein gutes Framework wie YAML aufbaute. Wenn man das getan hat, muss man sich schon fast anstrengen um fiese Barrieren einzubauen.
    Nur diese tollen Bestandteile der Frameworks werden nicht bewusst verwendet. Und dann fällt es den Nutzern auch nicht auf, wenn sie durch eine Änderung plötzlich nicht mehr richtig funktionieren. Stichwort: Tastaturbedienung.

    Und dies ist das Gegenargument: Ja, wir haben inzwischen tolle Tools, mit denen man die Erreichung einer barrierearmen Seite sehr leicht und sehr schnell hinkriegt.
    Man nehme hier YAML, tut da einfach mal jQuery hinzu, dann dort den Twitter-Code, würzt das ganze noch mit ein paar Polyfills damit der IE6 auch neue Videoformate abspielen kann, ausserdem noch ein paar Media Queries, weil es so toll ist, tut noch etwas HTML dazu und das wars dann. Auf dem Laptop auf dem es dann dem Kunden präsentiert wird, läuft das dann auch super schnell und fluffig.

    Und in der realen Umsetzung bekomme ich dann Monster-Sites ab 2MB Größe, bei denen Ghostery mehrere Tracker findet und bei denen für einfache Bildergalerien in einer Sidebar dann mal eben zusätzlich ein Dutzend 5 MB große Bilder in einer Dimension von 2048×2048 Pixel aus dem Netz geladen werden, die danach per JavaScript auf 150×150 Pixel skaliert werden.
    Und im PHP-Code des dort verwendenen Themes findet man dann noch dies:

    if (is_home()) { echo '#galerie { display:none; }'; }

    (Das heisst: Da wurde zwar alle über die Netzverbindung übertragen, aber dann über CSS einfach unsichtbar gestellt).

    Mehr Frameworks sind eine Bereicherung für Profis, die genau wissen was sie tun.
    Aber für unbedarfte Kunden und Entwickler sind es Produkte eines Shops, die man einfach zusammenwürfelt ohne das man weitere Gedanken über deren Zusammenspiel und des korrekten Einsatzes verschwenden muss.

    Und damit kommen wir wieder auf mein ursprünglichen Text zurück: Das Wissen um Barrierefreiheit wird unter der absoluten Zahl der Entwickler immer geringer. Die wissen teilweise nicht mehr was sie tun. Apps und Websites anhand der Rezepte aus jQuery&co zusammenklickern können viele. Aber mehr dann auch nicht.

  6. Ich stimme xwolf zu, dass die Diskussion in Deutschland ziemlich abgeflaut ist. Kein Wunder z.B., dass es keine deutsche Veranstaltung am heutigen „Global Accessibility Awareness Day“ #GAAD gibt. Das liegt sicher auch daran, dass es inzwischen weniger aktive öffentlich geförderte Projekte gibt, aus denen heraus Aufklärung betrieben würde.

    @ Marco Zehe

    Deine Aussage, dass die Diskussionen mit BIK um die BITV 2.0 auf viele abschreckend gewirkt habe, kann ich nicht nachvollziehen. Zwei Experten aus der Szene haben mit, wie ich finde, eher formalistischen Argumenten den neuen BITV-Test attackiert, andere haben ihn verteidigt, und viele haben still von der Seite den Kampf beobachtet (warum soll man sich unnötig exponieren…).

    Wir haben uns mit den Vorwürfen intensiv auseinandergesetzt und in den Kommentaren auf bitvtest.de geantwortet, etwa hier:
    http://www.bitvtest.de/konformitaet

    Au die text-resizing Debatte haben wir weiter geführt und Updates dazu veröffentlicht:
    http://www.bitvtest.eu/text-resizing

    Im Übrigen werden unsere Vorbehalte hinsichtlich der stark abgeschwächten Anforderungen der WCAG 2.0 bei Erfolgskriterien, die für sehbehinderte Nutzer zentral wichtig sind, auch von anderen geteilt. Man lese nur Jared Smiths Artikel „WCAG next“ auf Webaim. Viele unserer Kritikpunkte finden sich auch hier. Und einiges tut sich auch in der WCAG Working Group: so wird die unausgegorene Failure F69, in der wir unsere Forderung nach reiner Texvergrößerung gedeckt sahen, nun komplett neu überarbeitet.

    1. Also ich kenne niemanden, der den BITV-Test verteidigt hätte. Nur weil die Kritik nicht öffentlich ist, heißt das nicht, dass sie nicht stattfindet. Ich erinnere mich an die Proteste eines Gehörlosenverbandes, die niemand breit diskutiert hat. Das ihr diesen Test verteidigt, sei euch gegönnt, ihr verdient ja Kohle damit. Ich kenne aber keinen AX-Experten, der ernsthaft die BITV empfiehlt, die WCAG 2.0 sind die einzigen brauchbaren Richtlinien, auch wenn Deutschland wie das berühmte gallische Dorf da anderer Meinung ist. Wir können den Weg zur Barrierefreiheit aber noch steiniger machen, wie wärs, wenn Köln, München und Leipzig ihre jeweils eigenen Regeln und einen eigenen Test machen?Sry, aber genau das ist doch das Problem der deutschen BF-Szene, die weitgehende Abkopplung von der internationalen Debatte.

      1. Hier muss ich mal eine Lanze für den BITV-Test brechen:
        Für den Einsatz im Öffentlichen Dienst bei Auftraggebern aus eben diesen Bereich ist der BITV-Test das einzige was zählt.
        Dafür gibt es mehrere Gründe: 1. Durch die Förderung von BIK ist dieser schon quasi „geadelt“. Der Verweis auf eine behördliche hohe Instanz, die das ganze unterstützt und finanziert wirkt im Öffentlichen Dienst und in Behörden mehr als jeder Name von beliebigen internationalen Experten. Selbst wenn Nielsen oder Berners-Lee etwas anderes sagen würden und die Webkrauts eine Unterschriftenliste aller professionellen Webdesignagenturen zusammenkramen würden, die Behörden/Amtsmentalität würde trotzdem pro BIK sein.

        Etwas ähnliches finden wir bei der TÜV-Gläubigkeit.

        So wie ich Detlev kennegelernt hab, ist er sich seiner Verantwortung sehr wohl bewusst. Wenn er den Test, bzw. dessen Ergebniswertung eigenständig ändert, dann hat dies weitreichende Folgen.
        Diese Folgen können durchaus zurückschlagen ausf BIK.

        In Deutschland hatten wir vor einigen Jahren auf einem anderen Gebiet etwas ähnlich: Es gab ein Institut welches unabhängige Lebensmittelkontrolle druchführte.
        Dieses hat zu gut gearbeitet. Die Folge war nicht, daß das Institut belohnt und gefördert wurde. Das Gegenteil war der Fall. Durch Lobbyismus wurde es ernst „enthauptet“ und dann handzahm gemacht.

        In anderen Worten: Wenn das BIK zu streng wird, ist davon auszugehen, daß Lobbygruppen sich dafür stark machen würden, dass dem ganzen Grenzen gesetzt werden.
        Und das würde nichts anderes als das Ende vom BIK bedeuten.

        2. Der BITV-Test liefert eine Punktwertung, die man in einer Ausschreibung definieren kann. So kann in einer Ausschreibung exakt stehen: 95 von 100 Punkten müssen erreicht werden damit eine Abnahme erfolgt. Dann kann die Agentur noch so argumentieren, der Wert ist etwas was fest ist und worauf man beide Seiten festnageln kann.
        Bei der WCAG-Wertung hab ich dagegen nur 3 Konformitätsstufen. Man könnte zwar Stufe AA als Abnahmekriterium festlegen, jedoch ist hier die Nachprüfbarkeit des Testergebnisses beim WCAG-Test weit größeren Schwankungen unterworfen.
        1 bis 100 Punkte ist halt in der Praxis viel genauer als ein Wert in der Menge A bis AAA.

        Das ganze ist aber eine andere Diskussion.

        Für Experten bieten sich sicher an, auf WCAG zu setzen und sich daran zu testen.
        Für unbedarfte Kunden, die die Leistung von Agenturen (von denen 95% unseriös sind und selbst eine Flash-only-Site noch als Barrierefrei hinstellen; machen wir uns doch nichts vor, wir sind die Minderheit!) irgendwie prüfen müssen, ist der BITV-Test jedoch besser als WCAG.

  7. Steht doch alles in der WCAG oder wollt ihr zum 3.000 ten Mal den Leuten sagen, sie sollen Alternativtexte für Bilder verwenden? Wer wissen will, wo das Problem der deutschen BF-Szene liegt, sollte sich den Vortrag von Christian Heilmann auf dem A-Tag 2008 war es glaube ich angucken. Chris hat sich ja komplett aus dem Thema verabschiedet und das erklärt IMO einiges. Und wenn ihr einen Wettbewerb braucht, dann macht doch einen.

  8. Ist man lange und tief in einem Thema, dann glaubt man, dass alle doch schon alles wissen. Dass dem nicht so ist zeigt sich nicht nur in den von Jan angesprochenen Themen. Es zeigt sich auch darin, dass mehrere große Relaunches mit ohne Überschriften stattfanden und Webangebote live gehen, die sich explizit an Menschen mit Behinderungen richten (Städteführer zur Barrierefreiheit), mit ohne Alternativtexten für Piktogramme, die die eigentliche Information tragen. Und auch, wenn gerade die/wir, die wir schon lange in dem Thema unterwegs sind, es kaum glauben wollen: es gibt tatsächlich zahlreiche Leute, die noch nie etwas davon gehört haben (ich kann es auch kaum glauben, höre ich aber immer wieder).

    Auf der anderen Seite ist natürlich nicht Nichts erreicht worden. Das klang oben in einigen Kommentaren ja bereits an.

    Vor ein paar Wochen hörte ich den Talk „Universal Design for Accessibility“ von Prof. Blank. Er beginnt mit den Worten: „So much great work has been done and so much more work should be done“. Das Honorieren guter Websites und guter Lösungen ist eine wichtige Funktion des BIENE-Awards. Es motiviert Anbieter und auch die, die in dem Thema drin. Natürlich denke ich nicht, dass die Ursache allein darin liegt.

  9. @ Atze:
    Eher verteidigt haben den BITV-Test Martin Stehle auf der WAI-DE Liste und Marc Haunschild in einigen Kommentaren auf bitvtest.de – aber es stimmt, dass die Verteidigung unserer Position insgesamt recht dünn war. Von einer Reihe von Leuten habe ich informell Zustimmung erfahren, aber ich glaube, niemand hatte Lust, sich angesichts der massiven Angriffe aus der Szene in diesem Punkt als Verteidiger der Position des unbeliebten BIK-Projekts zu outen.

    @ xwolf / Wolfgang:
    In deinem Beitrag klingt es so, als habe ich (als Einzelperson) den BITV-Test oder dessen Ergebniswertung eigenständig geändert. Solche Entscheidungen laufen im Team und beziehen auch alles Feedback ein, was wir kriegen können, auch Feedback von anderen BITV-Test-Prüfern die nicht in der Testentwicklung saßen, und Hinweise von den Agenturen im 95plus-Kreis. Den neuen Test haben wir im Juni im Entwurf vorgestellt und die Community hatte mehrere Monate Zeit, zu kritisieren oder Verbesserungsvorschläge zu machen. Gekommen ist leider sehr wenig. Ich habe auch die Aussage gehört: Ihr werdet ja bezahlt, ich nicht, warum soll ich euch also helfen?

    Was die inhaltlichen Abweichungen des neuen BITV-Tests von den WCAG 2.0 angeht, musss man vielleicht berücksichtigen, dass der BITV-Test über Jahre betimmte Anforderungen ausgearbeitet hat, die in der BITV 1.0 einfach nicht konkretisiert waren (etwa für die Kontrastmessung oder Skalierbarkeit). Dabei ging es immer darum, Forderungen zu stellen, die aus Nutzersicht sinnvoll und aus Entwicklersicht erfüllbar sind. Dazu gehört z.B. die Forderung nach reiner Textskalierung auf 150% – ein Wert der jüngst auch von Jared Smith (Webaim) in seinem Artikel „WCAG Next“ vorgeschlagen wurde.

    Die WCAG 2.0 haben einige schwere Mängel, und der BITV-Test nutzt an einigen Stellen die Möglichkeit, anderes (nämlich mehr) zu fordern als nach den WCAG verlangt, z.B.

    * vernünftige Default-Kontraste auch bei Styleswitcher-Nutzung
    * Prüfung von Grafik-Kontrasten auch bei Informationsgrafiken
    * reiner Text vergrößerbar auf 150%
    * Alternativversionen nur dann, wenn das einleuchtend ist

    All das ist besonders aus Sicht sehbehinderter Nutzer absolut sinnvoll.

    Wenn Barrierefreiheitsexperten es gut finden, dass Entwickler nun mit voller WCAG-Deckung Seiten bauen können, die auf Level A *keinerlei* Kontrast- und Skalierungsanforderungen an Entwickler stellen, sondern alles auf UA-Anpassungen schieben, und auf Level AA Seiten, die mit Text in hellgrau-auf-weiß sich Konformität bescheinigen lassen können, wenn nur irgendwo auf der Seite irgendein popeliger Styleswitcher ist, dann frage ich mich echt, ob diesen Experten die *praktische Barrierefreiheit* wichtiger ist oder die unbedingte WCAG-Hörigkeit.

    Im Unterschied zu Teilen der deutschen Szene betrachtet man international die WCAG 2.0 eben zum Glück meist nicht als Bibel, sondern als ein Regelwerk, das ständig weiter verbessert werden muss. Dabei bringe ich mich ein als Mitglied der WCAG WG und der EVAL Task Force.

    Genug geschimpft. Ich bin ja schon mal froh, dass sich wenigstens in den Kommentarspalten zu diesem Beitrag mal ein Gespräch ereignet.

    1. Herr Fischer,

      welche Barrierefreiheitsexperten befürworten denn ein Style-Switcher? Soweit ich weiß, sind Sie der einzige, der dieses Thema diskutiert. Style-Switcher sind zumindest aus meiner Sicht eine Notlösung und es ist doch klar, dass eine Seite von vorneherein kontrastreich sein sollte.

      Wenn Sie sagen, der WCAG 2.0 hat Mängel, dann muss das natürlich auch für den BITV-Test gelten. Sie selbst haben immer wieder behauptet, der BITV-test ist WCAG 2.0 kompatibel. Aber ganz so ist es nicht, wie wir ja bereits an anderer Stelle ausführlich diskutiert haben. Ich frage mich auch, wo die Sehbehinderten sind, auf die Sie sich ständig stützen? Jedenfalls würde ich es begrüßen, wenn Sie Konsens anstreben würden.

      Ich darf Sie erinnern, dass die Blindenverbände und speziell deren IT-Fachausschuss (dem ich angehöre) eine kritische Stellungnahme zum BITV-Test formuliert hat und wir uns letztes Jahr in Dortmund dazu getroffen haben. Sie haben zugesichert, die Selbsthilfe (die blinden und sehbehinderten Nutzer) stärker einzubeziehen, um den BITV-Test an die Bedürfnisse Sehbehinderter auszurichten, was aber bis heute nicht passiert ist. Die Kritik äußerte sich u.a. darin, dass der BITV-Test gerade die Bedürfnisse Blinder und Sehbehinderter nicht ausreichend berücksichtigt. Wenn der BITV-Test WCAG-konform wäre, würden diese Bedürfnisse aber abgedeckt sein.

      Und jetzt? BIK gibt es nicht mehr und unsere Anstrengungen, den BITV-Test besser an die Nutzer zu orientieren und am Markt zu platzieren, sind vereitelt. Warum? Der BITV-Test weicht von den praktischen Anforderungen und sowohl WCAG als auch BITV ab.

      Im Übrigen sind es nicht „zwei Experten“, die Kritik ausgeübt haben (damit sind Kerstin und ich gemeint). Es haben sich nur zwei ausführlich auf Ihrem Blog dazu ausgelassen. Der BITV-Test steht immer wieder unter Kritik, aber die Experten sind alle mehr oder weniger der Meinung, dass BIK äußerst „beratungsresistent“ ist.

      @Wolfgang: Natürlich ist der BITV-Test eine Meßlatte, die gerade für Behörden eine gewisse Sicherheit gibt. Diese Meinung habe ich in den letzten Jahren auch immer vertreten und geäußert. Aber in meiner Praxis hält sich diese Ansicht die Waage mit Ansichten aus anderen Behörden, die den Test irgendwo bei „nicht relevant“ bewerten. Wer aber ein Bapperl braucht, soll sich dem BITV-Test bedienen.

  10. Ich glaube das die Webseitenbetreiber einfach nicht so richtig wissen wie es im Web derzeit weiter geht.

    Barrierefreiheit ist ja ein Webthema gewesen, BIENE hat Webseiten prämiert.

    Nun greifen wir auf Inhalte mit Apps zu, ohne Tastatur, ohne Maus. Manche sogar nur noch per Stimme.

    Wie nutzen den Sehbehinderte Mensche diese Techniken?

    Ist evtl. derzeit schon die Hardware schon so eine grosse Hürde das man sich um den Content eh nicht mehr kümmern muss?

    Die unsicherheiten sind gross.

    Ich finde das die Kollegen der einschlägigen Portale für barrierefreie Themen in Richtung Mobile Zukunft wenig raus lassen.einfach für alle hat wenig zu bieten für Entwickler die Apps bauen wollen die barrierefrei sind.

    Ich denke hier ist mal wieder ein Kongress fällig der uns zusammen bringt . Die Kollegen von einfach-teilhaben oder von der BIK sollen das mal organisieren, am besten mit dem Bundesministerium für Arbeit & Soziales.

  11. @ Tim Fox

    Ich denke, es liegt nicht an den geringen Informationen. Es gibt zahlreiche Informationen über Mobile Accessibility, zumindest im englischsprachigen Raum.

    Auch wenn es kein Kongress in D ist: Das W3C richtet am 25. Juni d.J ein Online Symposium zum Thema aus.

  12. Hallo Allerseits,
    wir weichen vom ursprünglichen Thema ab.
    Nur ganz kurz was von meiner Seite zum BITV-Test: Ich stimme Wolfgang zu, dass es ein gutes Instrument für Ausschreibungen ist. Wir sollten aber bedenken, dass Barrierefreiheit *nie* punktgenau messbar ist. Dafür bräuchten wir einen humanoiden Androiden, der ganze Auftritte durchspidern und gleichzeitig Alternativtexte auf ihre Sinnhaftigkeit und andere Dinge tun könnte, die beim Testen derzeit nur menschlicher Intelligenz (oder besser „menschlichem Beurteilungsvermögen“, ob vorhanden oder nicht :-) ) vorbehalten sind. Für mich stehen Menschen an erster Stelle und dann kommt das Regelwerk. Im Zweifel ist das Testverfahren dann egal, denn es kommt immer auch darauf an, mit welcher Absicht man es anwendet. Und wenn Integration und Inklusion mein Ziel sind, dann werde ich immer dementsprechend beraten, ob mit BITV-Test oder nach WCAG. Und damit kann ich jetzt eine Brücke zum eigentlichen Thema bauen: Wir kennen das ja auch aus der Politik, wenn sich intern gestritten wird, dass dann die Öffentlichkeit eher ablehnend reagiert. Und ob wir wollen oder nicht, und ob wir uns mögen oder nicht: wir werden von außen als Gruppe wahrgenommen. Und als solche könnten wir uns jetzt ja mal wieder auf die Frage konzentrieren, die Wolfgang freundlicherweise angestoßen hat: Wie schaffen wir es, dass Barrierefreiheit wieder ernster genommen wird? Wie schaffen wir es, dass Barrierefreiheit wieder als etwas gesehen wird, das Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, im Alltag dienlich ist, Beschäftigung ermöglicht und erhält und kein lästiges Beiwerk für Agenturen ist? Und in diesem Zuge sollten wir auch gemeinsam schauen, was ein geeignetes Beratungsinstrument ist, auf das sich alle einigen können. Und wenn es nicht der BITV-Test ist, was ist es dann? Aber das steht meiner Meinung nach an zweiter Stelle. An erster Stelle steht die Frage, wie wir wieder genug Anmeldungen zu Kongressen zum Thema kriegen. Wir sind mal mit dem Ziel angetreten, dass Barrierefreiheit irgendwann nicht mehr wegzudenken und eine Selbstverständlichkeit für jede/n Web- oder GUI-Designer/in darstellt. Davon sind wir meilenweit entfernt, und ich glaube, der interne Zwist hat das Seinige dazu getan. Da ist meiner Meinung nach Selbstkritik von jedem und jeder von uns gefragt. Und dann die Frage: Wie kriegen wir uns wieder konstruktiv an einen Tisch? Wenn das erst einmal Konsens ist, dann würde ich mich freuen, wenn wir uns jetzt erst einmal in diesem Rahmen und mit dieser Zielsetzung weiterkloppen. Ich bin dabei.
    Herzliche Grüße
    Detlef

  13. @Tim Fox und @Kerstin:
    wenn ich mir anschaue, was mit Voiceover auf dem IPhone oder dem IPad möglich ist, dann ist Barrierefreiheit auch dafür ein ganz großes Thema, Voiceover weist auf alle strukturierenden Elemente wie Überschriften etc. hin.
    Also auch auf dem mobilen Sektor gelten die ganz klassischen Anforderungen, wenn auch teils neue Techniken eingesetzt werden. Aber mit „accessibility in mind“ sind es für EntwicklerInnen immer wieder vergleichbare Dinge, die zu beachten sind. Auch bei HTML 5 und CSS 3 wird mit Wasser gekocht und wir müssen meiner Meinung nach weiterhin darauf achten, nicht in die Falle zu tappen, Dinge zu fordern, die eigentlich ein Browser können sollte (ich finde, da gehört z.B. das Umfließen (Reflow) dazu, womit sämtliche Skalier-/Zomm-Streitigkeiten der Vergangenheit angehören würden). Oder auch die Hilfsmittel. Ich ärgere mich seit Jahren darüber, dass die Screenreader die CSS-Medientypen „braille“ und „aural“ nicht unterstützen. Nein, stattdessen muss ich meinen Kunden blöde Mini-Hacks empfehlen, weil dieser oder jener Screenreader das nicht unterstützt. In diesem Sinne sollten wir Entwickler mobiler Systeme unterstützen, indem wir auf die WCAG, UAAG etc. zeigen und wie seit Jahren schon klarmachen, mit welchen Problemen Menschen mit Behinderungen zu kämpfen haben. Barrierefreiheit wird an Universitäten nämlich immer noch nicht gelehrt.
    Viele Grüße
    Detlef

  14. @ Jan Eric Hellbusch

    Hallo Herr Hellbusch, so knapp wie möglich zu Ihren Punkten:

    1. Ich sagte nicht, dass Barrierefreiheitsexperten Styleswitcher unterstützen. Ich sagte nur, dass die WCAG sie zulässt. Sie haben als WCAG-Prüfer keine andere Wahl, als einer Seite, die sie regelkonform nutzt, Konformität zu bescheinigen.

    2. Ich habe nicht behauptet, der BITV-Test sei „WCAG-kompatibel“ (und wenn, war das ungenau). Er ist den WCAG größtenteil sehr ähnlich, fordert aber an einigen Stellen mehr als die WCAG. Dies nützt Sehbehinderten. Dass brauchbare Schriftkontraste der Defaultversion wichtig sind, dafür muss ich doch wohl keine sehbehinderten Nutzer als Zeugen auftreiben, oder?

    3. Wir haben in Dortmund besprochen, Nutzer mit Behinderungen stärker an der Testentwicklung zu beteiligen und in einer Fortführung des Projekts (falls und wenn sie kommt) einen Nutzerkreis zu schaffen. Seit März läuft die Entwicklung natürlich auf Sparflamme, da zur Zeit kein Geld mehr dafür bereitsteht. Sobald sich das ändert, ist ein Nutzerkreis unbedingt wünschenswert.

    Es gab von Ihnen Kritik an Abweichungen des BITV-Tests von den WCAG – Abweichungen, die, wenn sie wegfielen, die Prüfung von Anforderungen abschwächen würden, die für sehbehinderter Nutzer wichtig sind. Die Beispiele wurden ja bereits genannt. Ich sehe also nicht, dass, wie sie sagen, „der BITV-Test gerade die Bedürfnisse Blinder und Sehbehinderter nicht ausreichend berücksichtigt.“ Wo denn bitte? Nirgendwo wird *weniger* verlangt als in den WCAG.

    4. Wenn Sie davon sprechen: „unsere Anstrengungen, den BITV-Test besser an die Nutzer zu orientieren und am Markt zu platzien sind vereitelt.“ – dann weiß ich nicht recht, wovon sie reden. Der Test ist bekannt, wird weiter beauftragt, und ich denke, seine Ergebnisse sind weiterhin relevant. Natürlich kann man über vieles streiten und sicher auch vieles verbessern. Aber das sollten wir vielleicht nicht hier in den Kommentarspalten verhandeln, sondern direkt.

    5. Eine Aussage wie „die Experten sind alle mehr oder weniger der Meinung, dass BIK äußerst “beratungsresistent” ist“ grenzt für mich an Mobbing. Es gibt Kritiker, es gibt Befürworter, und es gibt sehr viele Nutzer (z.B. die der Selbstbewertung), für die der Test ein wertvolles Werkzeug ist. Wenn Sie den Test schlecht oder lächerlich machen wollen („Bapperl“), bitte, muss wohl so sein. Es steigert aber auch nicht gerade die Lust, sich mit Ihnen sachlich über Prüfthemen auseinanderzusetzen.

    Lassen Sie uns doch einfach hier einen Strich ziehen und sachlich die Meinungsverschiedenheiten austragen, wenn es dafür wieder einen belastbaren Rahmen gibt.

    Gruß,
    Detlev Fischer

    1. Falls Sie nicht weiter behaupten, dass der BITV-Test auch eine Aussage zur WCAG2-Konformität macht, dann ist doch alles klar.

      Schön, dass Sie die Kontraste erwähnen. Gerade daran kann man exemplarisch festmachen wie wenig der BITV-Test fordert: Eine Seite ist nach BITV-Test „sehr gut zugänglich“ (gehen ja nur 2 Punkte weg); zudem können schwache Kontraste auf einer Seite durch ausreichende auf einer anderen über die Bildung des Mittelwertes im Gesamtergebnis sozusagen ausgeglichen werden. Nicht nur das: Möchte sich jemand ein „gut zugänglich“ auf die Site pinnen, dann ist das wirklich sehr leicht möglich, *obwohl* gravierende Barrieren für viele Nutzer vorhanden sind (fehlende Zwischenüberschriften, schwache Kontraste, den ein oder anderen schlechte Alternativtext usw.).

      Im praktischen Ergebnis fordert der BITV-Test im Gegenteil deutlich weniger. Da Sie Level A anführen: Nach WCAG 2 wäre eine Seite bei schwachen Kontrasten, sofern alles andere vollständig erfüllt ist, allenfalls A-konform und ein guter Prüfer wird vermerken, dass da noch Luft nach oben ist und kritische Kommentare dazu machen. Damit diese Seite – das von Ihnen an die Wand gemalte Nur-A-Konforme-Gespenst existiert nicht – AA erfüllt, *muss* nachgebessert werden. Nach BITV-Test dagegen nicht, denn die Seite erhält ja bereits ein „sehr gut zugänglich“ und es gibt sogar noch Luft für weitere Barrieren. Und selbst, wenn die 95 nicht ganz da sind. Dann sind ja die 90 da und das bedeutet immer noch angeblich „gut zugänglich“. Da frage ich mich doch, wer hier zu wenig fordert?

      Schade, dass dieser gesamte Kommentarbereich bereits seit etlichen Kommentaren nur noch von BITV-Test-Apologetik dominiert wird. Wir haben hier in Deutschland wirklich andere und gravierendere Probleme.

  15. @ Kerstin Probiesch:

    Inzwischen gibt es bei *allen* BITV-Test-Prüfschritten die Möglichkeit, das Gesamtergebnis auf „schlecht zugänglich“ abzuwerten. In dem möglichen (wenn auch eher seltenen) Fall, dass eine Site ein sehr gravierendes Problem hat (etwa sehr schlechte Textkontraste), aber ansonsten gut abschneidet, gäbe es also eine Abwertung des Gesamtergebnisses auf „schlecht zugänglich“ auch bei einem Punktergebnis von über 90 Punkten.

    Leider ist diese Änderung zwar im Prüftool, aber, wie ich gerade feststellte, noch nicht im Abschnitt „technische Angaben“ der Prüfschrittbeschreibungen angekommen. Werden wir nachbessern.

    Die grundsätzliche Problematik der Punktbewertung ist uns schon bewusst – ob es sinnvoll ist, den „Grad der Zugänglichkeit“ in einer Kennzahl auszudrücken, das ist umstritten. Von vielen wird so eine Kennzahl gewünscht, gerade um den Grad von Verbesserungen abbilden zu können. Aber das ist eine komplexe Diskussion, die wir lieber als Mitglieder der EVAL Task Force weiterführen sollten.

    Was die Aussage des BITV-Tests zur WCAG2-Konformität angeht, ist weiterhin richtig, dass eine Site, die im BITV-Test keinerlei Punktabzüge bekäme, damit auch WCAG 2.0 konform wäre (da der BITV-Test zwar mehr, aber nirgendwo weniger verlangt als die WCAG 2.0). Dies ist natürlich nur für die jeweilige Seitenauswahl sicher feststellbar, aber das ist ein grundsätzliches Problem aller Prüfungen. Richtig ist aber, dass der BITV-Test nicht 1:1 WCAG 2.0-Konformität prüft.

    Und nun, schlage ich vor, wenden wir uns den gravierenden Problemen zu.

  16. „Bei sehr gravierenden“. Das reicht nun einmal nicht aus, um WCAG-Konformität zu reklamieren. Bereits das System „eher erfüllt“ usw. akzeptiert Barrieren auf Webseiten und honoriert diese mit einem „gut“ oder gar „sehr gut zugänglich“ und steht damit im Widerspruch zur WCAG 2.

  17. Wir, das Team vom Fachzentrum Barrierefreiheit in München und BIK-Beratungsstelle, können den Eindruck nicht bestätigen, dass das Thema Barrierefreiheit tot ist. Wir bekommen viele Anfragen von bayerischen Staatsministerien, großen Konzernen und anderen Organisationen mit der Bitte um Beratung zur Barrierefreiheit und Tests ihrer Auftritte.
    Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass unsere Dachorganisation Pfennigparade in ihrem großen Kundenkreis das Thema Barrierefreiheit offensiv propagiert.
    Es gibt aber auch Kunden, die gezielt mit Barrierefreiheit werben möchten. Jüngstes Beispiel ist eine namhafte Organisation, die sich mit dem formalen Bestehen des BITV-Tests nicht zufrieden geben wollte. Wenn sie die zuletzt entwickelten Ideen umsetzen wird, nimmt sie sicherlich eine Vorreiterrolle bei der innovativen Umsetzung von Barrierefreiheit ein.
    Zu der Diskussion um pro und contra des BITV-Tests möchte ich anmerken, dass wir ohne den Test in Deutschland nicht so weit mit Barrierefreiheit wären wie jetzt. Nach dem in einem Beitrag erwähnten Ende des BIENE-Awards ist ein Instrument wie der BITV-Test zur Heraushebung barrierearmer Webauftritte umso wichtiger.
    Ungeachtet dessen setzen wir uns natürlich mit den Kritikpunkten am BITV-Test auseinander. Die gesamte Diskussion ist aber der Sache nur dienlich, wenn sie konstruktiv geführt wird.

  18. Pingback: Nur ein Blog