Hintergrund für diese hektischen und peinlichen Rückzugsbestrebungen diverser Landesregierungen bei der Erstellung einer Landes-BITV ist im wesentlichen die Angst vor etwaigen Mehrkosten.
Insbesondere bei den Ländern, bei denen das Konnexitätsprizip gilt, ist die Berechnung der Kosten für die Umstellungsarbeiten der eigentliche Kern aller Arbeiten an den Landes-BITVs.
(Das die zuständigen Leute aus den Innen- oder Sozialresorts sich dann nur die Traumzahlen der allergrößten IT-Dienstleiter holen und daher ziemliche Utopie-Kosten berechnen, düfte auch bekannt sein)
Um fachliche Fragen rund um die Definition und Messbarkeit von Barrierefreiheit geht es dort schon lange nicht mehr.
Meines Erachtens ist das Schreckgespenst von einer Kostenlawine, wie sie vor einiger Zeit von einem damaligen Präsidenten eines Städte- und Gemeindetages skizziert wurde, noch immer in den Köpfen.
Dagegen haben Experten auf verschiedenen Kongressen, Symposien und Workshops nachweisen können, daß dem nicht so ist. Im Gegenteil bedeuten barrierefreie Websites einen mess- und spürbaren wirtschaftlichen Vorteil. Dies nicht nur bei der Frage der Traffikkosten, sondern geht entlang der gesamten Prozesskette der Erstellung von Webauftritten.
(Die Grafik und Zahlen basierend auf Umfrage von über 400 eigenständigen Webauftritten an der Universität Erlangen und Zeitkosten verschiedener Internetprojekte zwischen 2003 und 2005.
Barrierefreier Webauftritt: Design kostet ¼, ¾ der Zeit auf Konzept; ¼ Umsetzung, Erstschulung 1/8, danach weit weniger, Betrieb dann aus Traffik und Erstellung etwa 1/5 von Nicht-BF-Seiten Nicht-Barrierefreier Webauftritt: Design und Konzept gleich, Erstschulung etwas weniger als BF, danach aber gleich. Betrieb etwa doppelt bis 3fach des barrierefreien Webauftritt.)
Wenn es hier noch Diskussionen gibt, dann lediglich darüber, wie hoch man die Planungs- und Umsetzungskosten von zugänglichen Webauftritten in Vergleich zu herkömmlichen Webauftritten sieht.
(Aus eigener Erfahrung und vorhandenem neueren Zahlenmaterial tendiere ich inzwischen zu der Meinung, daß auch die Umsetzungskosten eines barrierefreien Webauftritts geringer sind als bei einem herkömmlichen – sofern man den Webauftritt von Leuten machen läßt, die bereits Erfahrung in sowas haben und Dank der Standardkonformität beim Markup und den CSS bereits bewährte Techniken wiederholt einsetzen {können}.)
Mein Vorschlag basiert auf den oben beschriebenen Fakten:
Ich möchte anregen, daß Interessierte, Verbände und Experten die Bundes- und Landesrechnungshöfe gezielt und massiv auf das Thema aufmerksam machen.
Selbst wenn die Gesetze und Verordnung zur Barrierefreiheit zahnlos sind, so gibt es andere Regelungen und Gesetze, die wirksamer sind: Jede Einrichtung des Öffentlichen Rechts ist dazu verpflichtet dafür zu sorgen, daß Geld wirtschaftlich sinnvoll ausgegeben wird und das Prinzip der Nachhaltigkeit gegeben ist. Wenn eine Einrichtung dies nicht tut ist es Aufgabe der Rechnungshöfe hierauf hinzuweisen und die Verfehlungen sogar öffentlich zu machen.
Wenn eine Stadt jedoch für einen Relaunch eines im großen Teilen statischen Webauftritts mit nur wenigen Zigtausend Seiten über 20.000 Euro ausgibt nur um Design und Markup zu erstellen und dann auch noch -abseits von Schulungen- hohe laufende Kosten hat, dann muss man
(nach mir vorliegenden Zahlen für Kosten von Webauftritten) von Verschwendung von Steuergelden ausgehen.
Eine Verschwendung von Steuergeldern kann bei den Rechnungshöfen angezeigt werden.
Und dies sollte getan werden.
Am besten begleitet von vorherigen Informationen an die jeweiligen Rechnungshöfe, zum Beispiel in Form von einem offenen Brief seitens der Verbände und interessierter Experten.