Second Life – Hype – PR – Web3.0-Blase oder mehr ?

Viele Leute -meist aus dem Bereich der PR oder der Presse, bezeichnen Second Life als „Zukunft des Webs“. Aber sind dies wirklich dann Leute die sich auch in IT-Techniken auskennen und wissen was sie sagen, oder sind es lediglich PR-Leute?

Ich war jetzt ein paar mal drin, hab auch mit den Scripten begonnen. Ein Land hab ich mir nicht gekauft und werde es wohl auch nicht tun, weil ich erwarte und erhoffe, daß vielleicht in einem halben Jahr das
angekündigte OpenGrid heraus kommt. (Der Viewer ist schon OpenSource, aber ich mein den Serverteil mit dem eigene Sims angeschlossen werden könnten).
Beim letzten Webmontag im SL war ich auch dabei und fand es hinsichtlich der Möglichkeiten für gut und nutzbar.

Aber ob ich mich aber wirklich auskenne, weiss ich nicht. Eher nicht so gut.

Wer rumtönt von wegen die „Zukunft des Webs“ etc pp. sind in der Regel wohl kaum Leute aus dieser Liste, sondern eher Pressefuzzies, die a la Planetopia aus jedem Zeug was weltbewegendes machen wollen/sollen.

Wer schon länger in der Branche ist, wird wohl eher noch abwartend sein. Und zwar bei der Bewertung in beide Richtungen.
Die meisten der negativen Statements, die bisher über das SL geschrieben wurden, erinnern mich halt all zu sehr an die Zeit als die meisten noch mit Mosaic oder Amaya surften.
Die meist positive Euphorie erinnert hingegen an die .Com-Blase .

Fassen wir doch einfach mal -abseits von Wertungen- ein paar Dinge zusammen:

  1. Technik

    Die Technik von SL ist zwar bei weiten nicht so ausgereift wie heute Browser oder Editoren, aber für ein System von einer Firma dann doch recht tauglich: Es gibt eine wachsende Doku zur SLS, es gibt User- und Entwicklermanuals zum Viewer und Architekturbeschreibungen für die Sims.
    Die Mensch-Technik-Schnittstelle ist sicherlich ausbaubar.
    Screenshot SL Schnittstelle
    Insbesondere das Problem mit den Grafikkarten wurde angesprochen. Es gibt aber, aufgrund der Freigabe des Viewercodes auch schon erste eigene Schnittstellen ins SL.
    Siehe z.B. hackdiary: Connecting First and Second Life

    Skype ist bereits integriert, Präsentationsfolien können ebenfalls ins SL importiert werden.

    Das ein enormer Ressourcenbedarf auf den Clients gefordert wird, ist m.E. kein großes Argument über das man lange Streiten muss. Es war schon immer so, daß neue Techniken und Systeme mehr Power verlangten. Microsoft ist auch nicht bei 640k stehen geblieben, obschon die damals verbreitesten Rechner nur damit zurecht kamen.
    Das ist allenfalls eine Zeitfrage.

  2. Soziales Miteinander

    Egal ob im klassischen Chat, in einem Text-Mud, einem MMPORG oder einem Skype-Channel: Das rumquatschen mit anderen ist überall gern genutzt und Teil der Funktionalität.
    Im SL kommt nur der Aspekt des Images hinzu: Man tauscht sich nicht nur über die üblichen Sachen aus, sondern hat mit der Modifizierbarkeit seines Äußeren ein weiteres Thema, welches auch ein paar unserer tieferen Instinkte anzusprechen scheint. (Man hat was zum protzen und angeben. Im Text-Chat kannst du dies vielleicht gerademal mit einer ASCII-Art-Blume. Mann und Frau können hiermit unbewusst(?) zeigen, wie toll sie sind.)
    Vielleicht ist dies ein Grund warum viele Webworker etwas scheel auf SL schauen? In Textbasierten Chats konnte man auf seine ach so geile Website(s) zeigen. Im SL ist dies kaum was wert.
    Es gibt einige, die machen hier dann auch ein Kritikpunkt an SL fest:
    Ha, nur wegen des Skins rennen die Leute nun stundenlang durch die Gegend und kaufen sich teure Pixel.

    Genau so ist es.
    Aber genauso ist es doch auch RL. Wer geht bitte sehr mit Alltagskluft in eine Disco? Niemand. Und nun frage man einfach mal rum, wie lange man seine schicken Sachen gesucht hat und wieviel dafür bezahlt?
    Um dann später in der Disco genau was zun tun?
    Genau: Um zu sehen und gesehen zu werden und sich zu unterhalten. Was geschieht im SL als anders als im RL?

    Eine Rolle spielt sicher auch der virtuelle Sex. Klar.
    Die entsprechende Branche ist längst im SL vertreten und macht Geld.
    Mehr möchte ich darüber nicht schreiben. Das tun andere eh schon viel mehr.

    Viele „Neueinsteiger“ beklagen sich über die „Langeweile“.
    Und auch etwas zu recht: Was ist da schon groß an Aktion? Man fliegt über eine große bunte und meist unstrukturierte Welt. Die interessanten Orte sind meist voll und zu langsam und man kennt sie gar nicht mal. Aber trifft dies für das Web nicht genauso zu?
    Würde man z.B. mit Google „Auf gut Glück“ einfach mal über alle möglichen Websites rumsurfen, würde man sich wohl auch schnell langweilen.
    Die Langweile ist nicht mehr da, wenn man weiß, wohin man will und die Orte aufsucht, die einen interessieren.

  3. Kreativität

    SL bietet Raum für eigene Kreativität.
    Das ist möglich auf den bekannten Wegen des Webworkings, also über Skripting und Design.
    Dazu komen aber auch nun: Nachbauten von Objekten aus der Realität und die Erfindung neuer Objekte.
    So gibt es nachbauten historischer Gebäude, wie zum Beispiel dem Eiffelturm oder dem Ortskern von Amsterdam.
    Screenshot Uwy Island (Snapshot von Uvvy Island)

    Kreativität findet sich aber auch in neuen Formen, die sich eben nicht an realen Vorbildern orientieren, sondern sich entsprechend der Physik von SL anpassen und neue Kunstformen darstellen können.

    Man denke dabei nur an den Stil von Behausungen: Warum ist es notwendig, genauso wie im RL zu bauen? In SL kann jeder fliegen und Wind und Wetter haben eigentlich keinen Einfluss.
    Also wozu dann die klassische Bauweise übernehmen und nicht was neues wagen?
    Auch dies wird experimentiert. Und auch dies ist kreativ.

  4. Geschäftsmodelle

    SL ermöglicht das Abwickeln von Geschäften, wie es auch das Web ermöglicht. Die Unterschiede liegen lediglich in der optischen Repräsentation. (Und ggf. der Sicherheit – aber das ist ein anderes Thema – obwohl: Eigentlich ists da genauso wie im Web vor Jahren, als noch nicht jeder Shop SSL hatte…)

    Wie üblich gibt es auch hier Pioniere, die anfangs viel Geld machen.

    Im Unterschied zum Web ist die grafische Oberfläche zur Begutachtung von Gütern jedoch besser – so es der Verkäufer denn anbietet.

So, was schließe ich aus dem allen?
Im Prinzip heißt das ganze nicht viel mehr ausser: Das Potential ist da.

Was -wie auch von anderen betont wird- das einzige Hemmnis bislang ist, ist die Konzentrierung auf einen Dienstleister, der alleine die Grids aufbaut.
Linden Lab hat bereits angekündigt die Server Technik freizugeben, bzw. daran zu bauen:

A lot of the Second Life development work currently in progress is focused on building the Second Life Grid — a vision of a globally interconnected grid with clients and servers published and managed by different groups.
(Linden Blog: Embracing the Inevitable)

Logo vom OpenSecondLife Wer darauf nicht warten will: Es gibt auch bereits eine offene Sim auf Basis der BSD-Lizenz: OpenSim
Und Konkurrenz ist gut und für mich auch ein Indiz für ein möglichen Erfolg.

Die Zukunft ist aber noch offen.
Oder?