PaaS – Partei as a Service

Ich möchte ein neues Buzzword einführen: „PaaS“. Das bedeutet: „Partei as a Service“.
(Und klar: Natürlich arbeitet dieser Service „in the cloud“!).

Ich komme darauf, als ich einige Kommentare bei Netzpolitik lese. Eigentlich ging es in dem Artikel über eine Umfrage über die zukünftige Ausrichtung der Piratenpartei.

In den Kommentaren lassen sich dann auch einige enttäuschte Netzpolitikleser mal wieder über die Piratenpartei aus. Im Prinzip folgt diese Kommentarkette immer denselben Schema:
Viele sagen selbst, daß die Piraten erstmal gewisse Zeit zur grundlegenden Organisation und zur Etablierung ihrer Prozesse brauchen. Was richtig ist.
Was aber seltsam ist: Dieselben Leute verlangen dann doch, daß die Piratenpartei schon jetzt fertig organisiert und etabliert sein soll. So muss dies und das alles voll klappen. Es muss sichergestellt sein, daß „man“ nicht irgendwelche Sockenpuppen oder Idioten in wichtigen Ämtern hat, es muss dies und jenes einfach fertig sein.
Ein Kommentar fiel mir auf, wo jemand sich echauffierte, daß die Website (welche eigentlich der vielen?) nicht so zeitgemäß sei. Gleichzeitig wurde schon von derselben Person klar drauf hingewiesen, daß die Organisation eben noch nicht so weit sei!
Und trotzdem sind dann dieselben Leute enttäuscht und jammern was für ein Loserverein das doch sei.

Ein weiteren Punkt sehe ich auch in etwas anderem:
Nicht wenige Ex-SPD-Anhänger, die nicht zu der mit der ehemaligen SED-Nachfolgepartei fusionierten Portestpartei wollten, sahen in der Piratenpartei ihre potentielle neue Heimat. Die haben sooo viel erwartet. Denn die Aufbruchstimmung gerade zur letzten Bundestagswahl war so mitreissend und enorm. Doch dann erwarteten, nein forderten(!) diese Leute dann doch einige funktionierende Strukturen und eine gut aufgebaute Organisation.
Und waren deswegen um so enttäuschter, daß die Piratenpartei eben noch nicht so weit war und nicht so weit ist.
Aus dieser Enttäuschung wurde offenbar bei vielen ein tiefsitzender, blinder Groll.

Was lernen wir daraus?
Trolle sind überall. (Was natürlich die Piratenpartei mit einschliesst).
Aber viel wichtiger ist die Erkenntnis: Man kann es nicht allen Leuten recht machen. Manche sind einfach in Zustand, in der sie nicht für Sachargumenten empfänglich sind. Auch wenn es ansonsten sehr intelligente und hochgeschätzte Leute sind. Der Groll macht sie auf dem Auge blind und sie schlagen wie im Paflovsken Reflex drauf ein. Einmal enttäuscht, immer enttäuscht.

Aber man muss es auch nicht allen recht machen!
Die Piraten stehen für Themen, nicht für Personen. Sie stehen deswegen auch dafür, daß Personen lernen können. Und das das Gesums, das eine Person vielleicht vor Jahren mal glaubte und schrieb (und ggf. bloggte?) durchaus heute nicht mehr gut und auch nicht richtig ist.

Als ich im Jahr 2006 den Artikel Keine Indianer unter den Piraten schrieb, endete mein Schlußsatz:

Aber so wie es bislang aufgezogen wurde, glaub ich nicht daß es lange Bestand hat.

Ich hab mich geirrt. Wir haben jetzt 2010. Und es gibt die Piraten immer noch. Es gibt sogar mehr Piraten. Und diese Piraten lernen ständig dazu, organisieren sich neu, finden neue Leute, werfen Müll von Bord oder über die Planke.
Sie tun also etwas, was viele blinde Kritiker in ihrer Enttäuschung nicht mehr tun.

Was aber die Piratenpartei nicht ist und hoffentlich nie sein wird: Ein Service, der auf Knopfdruck reagiert, agiert und diskussionslos das tut, was der Auftraggeber wünscht.
Wer das will, der möge mit ein Säckel Spendengelder oder einer Horde unternehmsfinanzierter Berater bei den traditionellen Parteien anklopfen. Die aktuelle Regierung ist da ja ein wunderbares Beispiel, wie „erfolgreich“ Klientelpolitik -also PaaS- sein kann.

Eines sollte auch nicht vergessen werden. Die Piratenpartei hat -natürlich nicht allein, sondern zusammen mit der viel viel größeren Gruppe der Netizens zusammen- eines der wichtigsten Ziele erreicht. Netzpolitik wird inzwischen parteiübergreifend und gesellschaftsweit als wichtig anerkannt. Es wird darüber geredet. Die Meinung von Experten wird auch nicht von Grund auf einfach pauschal ignoriert, sondern selbst etablierte Parteien müssen sich zunehmen rechtfertigen und sich mehr Mühe geben, diese Fachkenntnisse zu trotzen.

Viele Kritiker der Piratenpartei bemessen den Erfolg der Partei danach ob sie 5% oder mehr schafft.
Mögen sie das tun. Ich für meinen Teil messe den Erfolg darin, wie sehr ein Thema im positiven Sinne beeinflusst werden konnte. Egal, unter welche Flagge dies dann später mit gekaufter und geschulter PR veröffentlicht wird.