Shitstorms,böse Tweets – Rassimusdebatten und ein Bärendienst

Shitstorms,böse Tweets – Rassimusdebatten und ein Bärendienst

Immer mal wieder tritt er ein, der Shitstorm im Twitter und anderen sozialen Netzwerken, bei der es darum ob jemand ein Rassist ist oder als solcher bezeichnet werden darf. Und ob es deswegen dann legetim sei, diesen zu unterstützen.
Mal wird das betreffende Opfer des Shitstorms, mal aber dreht sich dieser auch um auf den- oder diejenige, die ihn auslöste.

Im Falle von echten gemeldeten Rassismus kann dies natürlich auch eine der Strategien sein, um die Diskussion abzuwehren. Und den oder die Melderin schlecht zu machen.
Vgl: Wie wir echte Rassismusdebatten verhindern, http://hanhaiwen.wordpress.com/2012/03/30/wie-wir-echte-rassismusdebatten-verhindern/

Doch wir müssen vorsichtig sein. Gerade in sozialen Netzwerken!

Wenn jemand echten Rassismuss oder auch nur Alltagsdiskriminierung anprangert, wird dieser in der Tat leicht als Störer, Nervensäge, Berufsempörer, Buhmann oder Blockwart tituliert und angefeindet.

Die Frage die aber wesentlich ist, ist doch: Liegt wirklich Rassimus oder Alltagsdiskriminierung vor? (Ich mag mich hoffentlich durch diese Rückfrage nicht genauso verdächtig, ins obige Schema der Abwehrhaltung zu passen.)
Es kommt nun mal sehr häufig vor, dass sich Personen nicht richtig verstehen. Das aus dem Kontext gerissene Zitate falsch rüberkommen.

Jeder der schon Maildiskussionen hatte, weiß, was es schon anrichten kann, wenn an einer kritischen Stelle das Smiley-Zeichen fehlte. (Oder wenn der Empfänger der Mail dieses Zeichen nicht als Ersatzgestik erkannte). Ich kam bspw. durch eine Disput mit der Twitteruserin @sanczny zu diesem Thema. Wobei der Auslöser dann wiederum auf einen Shitstorm um eine Person zurückging, der für einige wegen unbedarfter Tweets als Rassist verurteilt wird.

Wie auch immer: Aus den kurzen, beiderseits ungehaltenen Tweets die wir einander zuwarfen kann sich jeder von uns beiden ein Bild des anderen aufbauen.
Und ich wette, jeder von uns beiden könnte anhand dieser Tweets und anderer Tweets die wir beide im Laufe der Twitternutzung irgendwann zu irgendeiner Sache schrieben, den anderen Rassismus nachweisen.
Jedenfalls könnten wir dieses Wort verwenden.
Unterstütze ich möglicherweise wirklich Rassisten, weil ich Menschen nach ihren Taten beurteilen will und Blabla im Twitter dagegen weniger Bedeutung zuordne? Oder ist @sanczny ein Rassist, weil sie Menschen auf 140 Zeichen reduziert und somit all dem Handeln und Menschsein einer Person, die sich eben nicht im Twitter wiederfinden als Unwichtig, als unwert, einstuft?
Und schon stecken wir in ein Dilemma, das oben so treffend beschrieben wurde. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Wer ist Schuld? Wer wird gemobbt? Und wer urteilt am Ende?

Ich hab das Gefühl bei dem ganzen tun wir alle der ganzen Sachen einen Bärendienst.

Niemand von uns will Rassismus. Aber wir meinen doch eigentlich nicht den echten Rassismus, die echte Alltagsdiskriminierung und die tatsächliche Ausgrenzung?
All dieser Rassismus hat seine Wurzeln in Respektlosigkeit, in Intoleranz und in eigener Angst. Und begründet liegt er in Nicht-Wissen. Man kennt die Personen nicht, über die man sich aufregt. Man will sie mglw. gar nicht kennenlernen. Man kennt deren Kultur nicht, man kann sich nicht in diese rein versetzen.

Aber was tun wir?
Wir lesen ein paar Tweets. Die uns übel aufstoßen.
Von denen wir nicht wissen, unter welchen Bedingungen der Autor sie schrieb, in Rahmen welcher Antwort. Ob er dazu grinste oder gar ob er dabei weinte und verzweifelt war.
Erinnert ihr euch an den verzweifelten und frustrierten Tweet an Mohammed, den ein Saudi vor kurzem schrieb? Dieser Mensch muss nun um sein Leben fürchten, weil andere in seinen Tweet Gotteslästerung sahen. Wir hier im Westen verurteilen dies. Zu recht.

Aber gleichzeitig sehen auch hier einige nur die aneinandergereihten Worte bei bösen Tweets. Aber niemand sieht in den Kopf des Autoren.
Trotzdem maßen auch wir uns an, einen Urteil über diese Personen zu bilden. Aus 140 Zeichen. Ist das nicht auch eine Form von Rassismus? Nicht einer der gegen „Rassen“ geht, sondern gegen Geisteshaltungen und Gefühlslagen. Wir verurteilen Menschen, die in was auch immer für einer Situation einen Bockmist in 140 Zeichen schrieben; Oder sei es gar eine ganze Mail oder auch einen längeren verzweifelten Brief wie das jener 51 Tatortautoren.

Ich schweife ab.
Worauf ich hinaus wollte war der Bärendienst. Wir verzetteln uns mit der Reaktion auf Tweets, E-Mails oder Blogartikeln, die missverständlich sind oder hetzend und rassistisch wirken. Und in unserer Aufregung und unserer vor uns selbst gerechtfertigten Wut verdammen und verurteilen wir diese. Wir verweisen darauf, daß kein Schritt zurückgewichen werden darf. Das dem Hass kein Weg bereitet werden darf und das die Anfänge gewehrt werden müssen.
Aber laufen gleichzeitig nicht die echten Rassisten feixend an uns und unserem aktuellen Objekt des Streites vorbei um ungestört und außerhalb unserer Wahrnehmen weiter ihr tun zu treiben?
In Tweets, Blogs und Mailinglisten wir gestritten wie als ob wir alle Mitglieder in einer Micronation sind. Die Realität dagegen, die echten Taten, die werden ausgeblendet?

Während in Bayern sich Piraten und deren Sympathisanten aufregen über einen Hausmeisterposten (!), gehen die skandalösen Zustände in bayrischen Unterkünften für Asylbewerber weiter.
Weiter geht auch die rigide Politik des Freistaats gegen Asylbewerber oder andere Opfer von Verfolgung. Man braucht nun nach den beiden Stichworten „Ausländeramt Bayern“ zu suchen. Hier, aber auch anderswo kommt es zu wirklich gravierenden Formen der Alltagsdiskriminierung.
Dagegen aber gibt es kaum ein Protest.

Warum? Weil die Täter etwa nichts darüber tweeten? Weil diese sagen, dass sie es so und so tun müssen (z.B. Abschiebungen), weil es so im Gesetz steht?

Und bereiten wir nicht genau durch unser Wegsehen auf die wirklich Probleme denen ein Boden? Wenn wir gar sagen: Wir wollen den Menschen gar nicht kennenlernen, die Tweets reichen, sind wir dann nicht genauso schlecht, wie die echten Rassisten, die aus Unwissenheit über andere Menschen diese ausgrenzen?
Wo ist da die Grenze?

Wir müssen aufpassen, wie wir selbst handeln. Der Angst vor Rassismus darf nicht dazu führen, dass wir selbst das werden wovor wir Angst haben.

Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guter Vorsätzen. Der Vorsatz „Keinen Fußbreit dem Rassismus“ sollte daher nicht dazu führen, dass wir Menschen Ausgrenzen, die wir nicht verstehen oder nicht mögen.
Wir müssen das Gegenteil tun.

Unser kürzlich gewählter Bundespräsident sagte zu dem Thema einen richtigen Satz: „Euer Hass ist unser Ansporn.“

Und genauso sollten wir es handhaben. Nicht Ausgrenzen, sondern reden. Kennenlernen! Überzeugen! Umarmen!
Oder als Pirat: Mehr flausch und weniger Hass.

14 Kommentare zu “Shitstorms,böse Tweets – Rassimusdebatten und ein Bärendienst

Kommentarfunktion ist geschlossen.

  1. Nun, um es mit (fast) deinen eigenen Worten zu sagen:

    Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guter Vorsätzen. Der Blogeintrag “Shitstorms,böse Tweets – Rassimusdebatten und ein Bärendienst” sollte daher nicht dazu führen, dass wir Menschen Ausgrenzen, die wir nicht verstehen oder nicht mögen.

    Wo sind denn deine Grundsätze mit denen Du dir es erlaubst Urteile über Menschen die Rassismus anzusprechen zu fällen?

    Bist Du dir sicher das Du gerade nicht dem Antirassimus einen Bärendients erweist, indem du berechtigte Kritik unterminierst?

    Ich meine deine Angst vor unberechtigter Kritik sollte nicht dazu führen, dass Du das wirst was Du selber fürchtest.

  2. Hallo & Danke für dein Kommentar.

    Du hast recht mit deinen Fragen. Und ich fragte sie ja oben genauso. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Beitrag gut ist oder schlecht. Kann ich auch nicht. Vielleicht ist es einfach gedanklicher Dünnschiss, den ich kurz nach Mitternacht absonderte, weil ich müde war und die implizite Kritik einer Person an eine Gruppe von Leuten auf mich als Mitglied dieser Gruppe bezog.

    Deswegen eben appelliere ich ja gerade dafür, dass man keine vorschnellen Urteile treffen soll. Sondern eben mit den Leuten reden. Das ist oft schwer. Besonders wenn man den oder die gegenüber nicht mag oder der/die einen blöd gekommen ist. Oder vom gegenüber nicht viel Bereitschaft kommt, darüber zu sprechen.
    Das geht mir genauso. Ich kann mich nicht da selbst raus nehmen.

    Doch wenn wir mit den Leuten nicht reden, nicht auf deren Argumente eingehen wollen, und nur sowas antworten wie „das reicht mir“, dann geben wir diese Menschen auf. Das ist sozial unschön, wenn am Ende nichts hinter den Vorwürfen war. Dann hat man es mit einem Menschen vertan. Ist blöd, aber für die Allgemeinheit nicht so schlimm.
    Aber es ist ganz, ganz schlecht, wenn sich herausstellt, dass doch etwas an den Vorwürfen dran war. Denn dann hat man erst recht verpasst, bei den Leuten was zu ändern. Es möge ja „toll“ sein, wenn wir Rezepte oder Indikatoren hätten, um Rassisten oder Verbrecher zu erkennen. Woran ich nicht glaub.

    Aber selbst wenn – was dann? Wie geht es danach weiter mit den Leuten?
    Stempel „Rassist“ drauf, ab in die Schublade oder durch ständige Aufklärung der Umgebung drauf hinweisen, welchen Stempel der trägt? Das finde ich zu einfach!

    Wir dürfen den betreffenden nicht ausgrenzen, nur weil der auf falschen Weg geraten ist! Wir müssen den zurück holen! Und das geht nur mit reden. Aber nicht, indem man alle Brücken abreist.

    Und es muss ja nicht gleich das Extrem des Rassismus sein. Im Text nannte ich Alltagsdiskriminierung.
    Ich hatte lange Jahre mit dem Menschen mit Behinderungen zu tun und musste dabei vieles erleben. Meist kam es zu Diskriminierung nur aufgrund von Unwissenheit. Hier im Blog hab ich einige Artikel und Beispiele dazu schon gebracht. Verhindern kann man auch da diese Diskriminierung nur durch Aufklärung. Durch Kommunikation. Aber diese Kommunikation kann nur dann überhaupt beginnen, wenn man die Leute nicht von vornerein durch Beleidigungen oder Unterstellungen auf Absicht vom Kopf schlägt.

    Was meine Grundsätze angeht, dürften diese sich kaum von jedem anderen unterscheiden, der in dem christlich geprägten westlichen Kulturkreis aufgewachsen ist.
    Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und alles was damit zusammenhängt.

    Nur im Lauf der Jahre hinzugekommen sind individuelle Erfahrungen, die sich in Zynik und Misstrauen ausdrücken.
    Tiefes Misstrauen hab ich in Urteile, die fehlerhafte Menschen über andere fehlerhafte Menschen treffen. Und da nehme ich mich nicht heraus, wie ich nochmal betonen möchte.

    Und ebenso misstraue ich Aussagen, die ein Absolutismus für sich in Anspruch nehmen: „Dies und das ist eindeutig Extremistisch. Punkt.“

    Und daher empfinde ich es auch als wichtig und notwendig, zu hinterfragen, wenn jemand eine Absolutaussage macht.

    Reden reden, reden, die Tür offen halten!
    Und wir müssen dabei auch lernen, über uns selbst zu reflektieren.

    Nebenbei:
    Ich trage meine Angst und meine Zweifel wie ein Schild vor mich. Für jeden sichtbar. Für jeden rhetorisch ausschlachtbar. Aber dafür brauche ich meine Ängste nicht zu verstecken und Lügengeschichten erfinden, die mich in glänzenden Farben zeigen.

  3. „Doch wenn wir mit den Leuten nicht reden, nicht auf deren Argumente eingehen wollen, und nur sowas antworten wie “das reicht mir”, dann geben wir diese Menschen auf.“

    Und wenn wir nie „Jetzt reichst mir“ sagen, dann geben wir uns selber auf, weil wir nie gelernt haben uns von anderen abzugrenzen.

    „Wir dürfen den betreffenden nicht ausgrenzen, nur weil der auf falschen Weg geraten ist! Wir müssen den zurück holen!“

    Okay, das Problem hier ist:

    zum einen wenn es niemanden erlaubt ist zu sagen „Jetzt reichst mir, was Du da machst ist rassistisch!“ dann wird die andere Person ja nie erfahren, dass sie einen Fehler macht, dass sie auf dem falschen Weg ist. Irgendwie das Fehlverhalten ansprechen muss man ja schon.

    zum anderen das „Wir“.

    Wenn mich jemand rassistisch beleidigt, dann hat diese Person keinen Anspruch darauf bei mir Lektionen für ein Leben ohne Rassismus zu lernen.

    Konkretes Beispiel:

    Wenn mich jemand mich mit „Cassandra, Du N****Schl****, raus aus unserem schönen Land, Du Schma***** !“ antwittern würde, würdest Du dann sagen, dass es meine Aufgabe wäre, der Person Zeit zu schenken um mit ihr am Antirassismus zu arbeiten?

    Wahrscheinlich eher nicht.

    Wenn es aber jetzt andere Leute gibt, die Zeit und Energie darauf investieren, Gesprächsangebote für Rassisten, Brücken also wie Du es geschrieben hast, anzubieten, dann können die das gerne machen (vorausgesetzt die rassistischen Taten werden nicht verharmlost), aber es gibt keinen Anspruch darauf, dass „Wir“ alle persönlich für jedes Fehlverhalten Verständnis haben müssen und jeder Person bei der Änderung das Verhaltens direkt behilflich sein müssen.

    1. Ja, bei solch eindeutigen Hassmail, würde der/die betreffende wahrscheinlich auch sofort auf meine Blocklist kommen.

      Nur ging mein Artikel ja gerade nicht um die eindeutigen Fälle. Es ging mir um die Gefahr der Vorurteile und deren Folgen.

      Lass mich ein Beispiel bringen und erlaube mir an diesem eine Gegenfrage an dich.
      Vor einiger Zeit beschrieb ich in einem Artikel (http://blog.xwolf.de/2009/04/28/erste-vorbereitungen-zum-webkongress-erlangen-2010/ ), wie an einer Uni Menschen die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, auf unakzeptablerweise diskriminiert werden.
      Man braucht nicht den ganzen Artikel zu lesen, das Bild http://blog.xwolf.de/files/2009/04/toilettenweg-rollstuhlfahrer-h1.png bei dem der Weg von 340 Metern eingezeichnet ist, den ein Rollstuhlfahrer auf sich nehmen muss, um in einem Hörsalgebäude ein Stockwerk runterzukommen, spricht schon für sich.

      Wäre ich nun im Recht, wenn ich öffentlich und mehrfach wiederholend behaupte, daß der Architekt, der dies plante, Menschen diskriminiert?
      Gleichzeitig kann ich sagen: Ich kenne den Menschen nicht. Und ich könnte auch sagen, das Bild reicht mir, ich brauche keine weiteren Informationen einzuholen.
      Das Urteil über diesen Menschen wäre gefällt.

      Sag mir, wäre das richtig?

      1. Ja, das wäre absolut richtig, weil Du nicht Batman bist. Und ich auch nicht. Und sich niemand von uns den Schuh anziehen muss, das Schicksal von ganz Gotham auf uns zu nehmen.

        In dem Architektenbüro arbeiten erwachsene Menschen, die damit zurecht kommen müssen, auch mal Kritik für ihre Bauten zu bekommen.

        Und „Kritisieren“ ist ungleich „jemaden für immer und ewig einen Stempel aufdrücken und ihn so aus der Gesellschaft ausschließen“. Wir sind alle nicht Batman, Superman oder Elliot Carver. Wir haben schlicht nicht die Macht mit einer einfachen Kritik jemanden zu zerstören.

        Du zweifelst in dieser Diskussion ja die Kompetenz von Menschen an, Rassismus richtig beurteilen zu können, bzw. nicht das richtige Diskussionsverhältnis zu finden, ich weiß aber immer noch nicht woran Du das festmachst.

        tur_bor, um den es ja in großen Teilen geht, z.B. hat einen ganzen Landesvorstand hinter sich und kann auf Twitter auch ganz gut selbst austeilen. Alles was an Rassismuskritik an ihn herangetragen wurde, war auf einem (Macht)Niveau das für ihn (oder seine Verbündeten) absolut
        handelbar wäre, wenn sie den wollten.

        Die Reaktion hatte also ein richtiges Verhältnis zur rassistischen Aktion.

        Und das ist hier bei mein Punkt: Du nimmst, mMn, zuviel Verantwortung für andere Menschen auf dich.

        Wenn wir Architekturbüros oder Landesvorstände von Parteien kritisieren, dann müssen wir denen auch zutrauen für sich selbst Verantwortung übernehmen zu können und mit Kritik auch umgehen zu können, ansonsten sind die in ihren Positionen schlicht falsch.

        1. „Wir haben schlicht nicht die Macht mit einer einfachen Kritik jemanden zu zerstören.“

          Auslöser dieses Themas waren auch zwei aktuelle Geschenisse:
          1. Die Hassattacken auf die Vorsitzende im Saarland, nachdem das Märchenblatt Cicero einen Artikel veröffentlichte. Die Frau wurde aufgrund des Artikels ganz schnell von vielen vorverurteilt. Sie erhielt daraufhin wohl auch einige Hassmails und Anrufe die deinem obigen Beispiel in wenig nachstehen.
          2. Die Geschenisse in Emden, wo ebenfalls jemand vorverurteilt wurde.

          Als einzelne haben wir nicht die Macht, Leute zu zerstören. Aber durch zu schnelle Vorverurteilungen besteht die Gefahr zu geistigen Brandstiftern zu werden.

          „Du zweifelst in dieser Diskussion ja die Kompetenz von Menschen an, Rassismus richtig beurteilen zu können, bzw. nicht das richtige Diskussionsverhältnis zu finden, ich weiß aber immer noch nicht woran Du das festmachst.“

          Wenn jemand einen anderen Menschen schon deswegen als Rassistin verurteilt, weil diese im Twitter nach Belegen *fragt* und dann nicht überzeugt ist, daß das was sie bekam ausreichend ist, dann Zweifel ich in der Tat an die Kompentenz der Person.
          Wenn dann in einem nächsten Tweet auch noch geschrieben wird, daß es egal sei, was sie noch alles geäußert hat, dann ist das ein sicheres Zeichen.

          Nochmals: Es ist gut und richtig, Leute zu kritisieren, die ein Bockmist betreiben. Aber wenn man gleich mit Kanonen (nämlich den Begriff Rassist) auf Leute losgeht ohne dafür mehr als nur 140 x n Zeichen zu haben, dann ist das einfach falsch. Und man muss sich dann genauso gefallen lassen, kritisiert zu werden.

          1. „Als einzelne haben wir nicht die Macht, Leute zu zerstören. Aber durch zu schnelle Vorverurteilungen besteht die Gefahr zu geistigen Brandstiftern zu werden.“

            Nun, nein. Moment, ich muss das erstmal für mich gedanklich sortieren.

            Erstmal sind „Vorverurteilung“ und „geistige Brandstiftung“, zwei verschiedene Konzepte die nicht zwingend einander benötigen.

            Soll heißen auch wenn jemand ein ganz sicheres, nachweisbares Urteil über jemanden fällt, kann immer noch jemand geistige Brandstiftung betreiben. (indem bspw. private Kontaktdaten herausgegeben um den Übeltäter zu stalken und zu mobben)

            „Vorverurteilung“ ist also nicht notwendig für „geistige Brandstiftung“.

            Das Hauptproblem in Emden ist daher auch nicht die Vorverurteilung, sondern dass überhaupt Leute auf die Idee kommen jemanden auknüpfen zu wollen und die Idee soweit kommen zu lassen, dass die dann stundenlang vor der Polizei für ihr Recht auf Tötung demonstrieren.

            Das wäre beim richtig verurteilten Täter auch falsch.

            Dann habe ich nicht geschrieben, dass einzelne nicht die Macht hätten, andere zu zerstören (die haben sie durchaus, Du bringst ja auch Beispiele wie z.B. Drohanrufe), sondern das eine einfache Kritik das nicht kann.

            Und da sind wir jetzt wieder beim Thema „Verantwortung“.
            Wenn ich bspw. twittern würde das der Film „Bernd Beispiels Abenteuer in Berlin“ der schlechteste Film des Jahres ist und sich Hollywood dafür schämen sollte, dann bin ich nicht dafür verantwortlich wenn meine Kritik jemand zum Anlass nimmt, das ortsansäßige Kino in Flammen aufgehen zu lassen.

            Und da sind wir jetzt beim Kern unseres Streits, so wie ich ihn sehe:

            Du gibst sehr allgemeine Regeln wie:
            „Macht keine Vorurteile!“ und „Betreibt keine geistige Brandstiftung!“ und „Überlegt euch ob das wss ihr schreibt auch wirklich richtig ist!“

            Und die sie auch alle vollkommen richtig, nur:

            Man muss die auch richtig auf den konkreten Fall anwenden.

            In der Cicero-Sache bspw. wurden, wenn ich das richtig verstanden habe, einer Person aufgrund eines falsch zugeordneten Nicknames, jede Menge Dinge angehängt, die die Person gar nicht gemacht hat. Das wäre eine Verletzung des Sorgfaltsrechts seitens Cicero und die Person hat jedes Recht den Artikel als falsch abzuweisen und eine Gegendarstellung zu fordern.

            Es gibt ja aber auch Fälle wo Journalisten auch mal was richtiges schreiben und dann gäbe es kein Recht auf Gegendarstellung.

            Und um diese beiden Sachen (berechtigte und unberechtigte Kritik an einer Darstellung) voneinander unterscheiden zu können brauchen wir konkrete Argumente.

            Argumente, die Du aber nicht lieferst, wenn Du einfach nur sagst „Habt ihr euch auch gut überlegt ob eure Kritik auch richtig ist?“.

            Was Du jetzt machen müsstest, wäre quasi Diskussions-CSI zu spielen um argumentativ nachzuweisen, dass das verwendete Kaliber „Das ist rassistisch“ tatsächliche eine Kanone war und nicht eine einfache, berechtigte Kritik.

            *Horatio-Caine-Sonnenbrillen-Gag-hier-einfügen*

          2. „Was Du jetzt machen müsstest, wäre quasi Diskussions-CSI zu spielen um argumentativ nachzuweisen, dass das verwendete Kaliber “Das ist rassistisch” tatsächliche eine Kanone war und nicht eine einfache, berechtigte Kritik.“

            Hm…. also du meinst:
            Jemand stellt eine Behauptung auf und liefert dabei keine überzeugenden Argumente.
            Wenn man das nicht akzeptieren will, muss man selbst die unsachliche Argumentationskette haarklein widerlegen?

            Finde ich nicht richtig, aber ich könnte mir vorstellen, daß dies machbar wäre. Aber die Frage ist: Reicht das denn? Selbst wenn ich das tun würde, was wird passieren? Wird es akzeptiert werden und ich eine Rückmeldung bekommen, „ja du hattest wohl doch recht“?

            Wohl kaum.

            Eher wird eine Rückmeldung kommen wie, „Schau was der aus ‚Schublade X‘ da für ein Unsinn über mich arme bedrohte Seele geschrieben hat. “

            Wie war das jetzt mit Verteidigungsstrategien? :)

            Um jetzt ein weiteres Nebenthema/Beispiel aufzumachen, wo dieselbe Forderung kommt, man solle es doch nachweisen:

            Wie man ja nachlesen kann bin ich seit fast über ein Jahrzent aktiv tätig beim Thema Barrierefreiheit. Damit Menschen mit Behinderungen die gleichen, ihnen zustehenden Rechte haben. (Hier kommt übrigens auch das Wort Alltagsdiskriminierung her).

            Es werden häufig Websites relauncht. Und dabei wird auch mehr oder minder groß behauptet, sie sei auch barrierefrei.
            Wenn dann aber Kritik auftaucht, die sagt, „hey, moment das stimmt doch garnicht“, dann wird diese Kritik meist ignoriert oder als unberechtigt abgetan.

            Und selbst wenn man drauf beharrt, wird dann genau dasselbe gefordert:
            Die Menschen mit Behinderungen oder deren Befürworter sollen doch bitteschön nachweisen, daß diese oder jene Sache wirklich eine Barriere ist. Und überhaupt, wird gesagt, sei alles doch garnicht so schlimm…(wie bekannt und verbreitet dieser unselige Spruch wohl ist?)

            Wird das dann getan -von mir oder anderen- was passiert danach dann meist?

            Die Antwort ist: NICHTS. Die machen genauso weiter wie bisher, gehen nicht auf die Argumente ein und ignorieren fortan alles weitere.

            Und selbst wenn, wird gesagt, „och jo, es ist ja nur Kritik, damit müssen wir wohl leben“.
            Hallo?! Barrieren bedeuten, daß Menschen ausgegrenzt werden. Ob absichtlich oder aus Unwissen spielt keine Rolle. Es geschieht bei beidem. Und das muss so weit es irgendwie geht geändert werden. Das ist nicht einfach Kritik, die man abheften kann. Es geht da um Diskriminierung aus Blödheit.

            Von daher bin ich da leider schon etwas vorbelastet und wenig optimistisch, wenn es um den Nachweis geht, das etwas falsch ist. Nicht weil es nicht geht, sondern weil es meistens trotzdem nicht angenommen wird.

            Einige Leute sind nicht bereit, mit sich reden zu lassen und halten an ihrer Meinung fest. Und alles was man sagt, wird gegen einen verwendet. Und an der Stelle sag ich dann auch irgendwann: Wenn der nicht auf meine Argumente eingeht, warum soll ich mir noch mehr Mühe machen? Der/die andere macht halbgare Aussagen, dann bleiben meine eben genauso.

            Anders jedoch wenn es ein Entgegenkommen gäbe. Wenn ein Zeichen sichtbar wäre, das offen ist für ein Dialog.
            Den sehe ich aber nicht.

            Das ich in den obigen Artikel unkonkret war, hat aber auch damit zu tun, dass ich nicht genau auf diesen speziellen Fall einschränken wollte. Das Thema tritt dauernd auf. Da sind Appelle an die Vernunft immer wichtig. Wie auch leider immer wieder von neuem notwendig. Meiner ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein.

  4. @Cassandra
    worum geht es Dir denn jetzt genau? Um eigenes Erleben oder um Boris?

    “Cassandra, Du N****Schl****“ wäre, wenn ich die Sternchen richtig übersetze, eine rassistisch und sexistisch motivierte Beleidigung.

    Boris`Tweet mit der „Bombe auf Gaza“ ist hingegen eher militaristisch. Das ist für Pazifisten ein Problem (ausserdem eine nichthumanistische Position, wie ich finde), aber eine legitime Meinungsäusserung.
    Er hat es eingesehen, sich entschuldigt und ist zurückgetreten.

    1. Wie Du xwolfs Überschrift entnehmen kannst geht es hier um:

      „Shitstorms,böse Tweets – Rassimusdebatten und ein Bärendienst“

      Es ist hier also keineswegs die tur_bor- Soloshow.

      Deinen zweiten Absatz verstehe ich nicht. Boris ist wegen einer legitimen Meinungsäußerung zurückgetreten und Du findest das richtig?

      1. ja,, klar. Legitim ist vieles, trotzdem ist manches kritikwürdig. Rabiate Polemik ist manchmal sinnvoll oder auch Persönlichkeitsabhängig, in diesem Fall ging sie aber zu weit. Das hat er eingesehen und damit ist gut. Manchmal platzt einem halt der Kragen vor Wut.

        Er schimpft ja auch ziemlich über Antifa und Linke, ich fühle mich aber in keinster Weise angesprochen oder beleidigt, obwohl ich beides seit über 20 Jahren bin. Wenn ich ihn mal sehen sollte (im real life), werde ich versuchen, ihn vom Besseren zu überzeugen. Mit 140 Zeichen geht das nicht.

        Ich bin nun in der Antifa lange genug dabei, um seine
        Anti-Antifahaltung (die eigentlich nur eine Anti-Antiimp-Haltung ist), zu verstehen. Möglicherweise kennt er halt nur die Antiimps. Es gibt aber auch noch die Antideutsche Antifa, die israelsolidarische Linke um Publikative oder Exit und die Leute von Haskala Bayern.
        http://haskala-bayern.blogspot.de/

        1. Ich zieh hier mal was aus deinem Kommentar bei sekor rüber:

          „… 5. Boris ist auch nicht Rechts-Liberal. Er ist schlicht: Ein zynischer Provokateur. Das macht ihn für unser Außenbild gefährlich, aber ich bin heilfroh ihn an Board zu haben, da ich seine Vernunft durchaus kenne und schätze. Ich bin auch der Meinung, dass Jeder, der seine Mitmenschen mit Respekt behandelt (Und das hat Boris zu jeder Minute, die ich mit ihm verbracht habe, getan), Aussagen tätigen darf solange er nicht hetzt. Das tut Boris nie, viel zu locker der Typ.
          Er argumentiert halt knackig und vielleicht auch trotzig, aber er ist in jeder Hinsicht ein Gewinn für jede Debatte. Ich würde ihn auch jederzeit wieder in ein Amt wählen, so sehr vertraue ich seiner Vernunft. … „*

          Boris ist also ein zynischer Provokateur, der für das Außenbild gefährlich ist, gleichzeitig vernünftig und respektvoll ist, gleichzeitig trotzig, knackig aber immer locker ist und ähm … sorry, da komm ich nicht mehr mit.

          Wenn Boris derart komplex und wandlungsreich ist, dann müsstet ihr eigentlich vollstes Verständnis haben, das andere Leute Boris auch mal falsch(?) verstehen können.

          Ihr könnt ja bspw. mal einen Videopodcast machen indem sich Boris zusammen mit jemanden von der Antifa vorstellt und eine Diskussion führt. Vielleicht können dann andere das Mysterium besser nachvollziehen.

          *http://www.sekor.de/2012/03/27/der-leiter-der-landesgeschaftsstelle/comment-page-1/#comment-1050

          1. Zitat „Ihr könnt ja bspw. mal einen Videopodcast machen indem sich Boris zusammen mit jemanden von der Antifa vorstellt und eine Diskussion führt.“

            Danke! Eine supergute und konstruktive Idee! Boris und jemand von der israelsolidarischen Linken/Antifa. Cool. Wird höchst spannend. ;)

            Würde ich sogar anbieten, eine Veranstaltung dazu zu organisieren. Wie gesagt, ich glaube, dass die Diskussionen via Blogs und Twitter nicht allzuweit was bringen.