Code of Conduct

Fefe schrieb vor einigen Minuten einen sehr schönen Satz, den ich hier nochmals besonders hervorheben möchte:

Wenn die Dinge bei euch so schlimm seid, dass ihr einen Code of Conduct braucht, dann ist eure Gruppe wie ein Misthaufen mit einem Leinentuch drüber. Das Problem geht nicht weg, wenn ihr da ein Leinentuch drüberhängt. Löst das Problem. Dann braucht ihr auch keinen Code of Conduct mehr.

Ich kann das aus meiner Erfahrung heraus nur unterschreiben.  Es kommt auch nicht drauf an, ob die Gruppe aus nur einem Geschlecht oder mehreren besteht. Ebenso spielt es keine Rolle, woher die Menschen kommen. In Wirklichkeit geht es immer nur um das respektvolle Miteinander. Das funktioniert oder es funktioniert nicht. Und wenn es nicht funktioniert, hilft auch kein Codex und kein Leitfaden.  Leute, die versuchen, menschliche Probleme mit einem Code of Conduct zu lösen, versuchen nur soziale Probleme mit Hilfe von Formalia zu lösen.

Und mehr noch: Oft kommt es im Verlauf der Entstehung und im Inhalt eines solchen Code of Conducts auch wieder zu einer Form der Machtausübung durch einzelne über andere. Gleiches gilt für diese schrecklichen „sicheren Rückzugsräume“.

All diese Mittel tun nur eines. Sie zementieren eine Haltung: „Hier sind wir. Wir sind die Guten. Alle die nicht bei uns sind, sind die Bösen.“

Für den Arbeitsalltag bzw. der Gruppenarbeit sind solche Ansätze ohnehin völlig Banane und an der Realität vorbei. Wenn ich in einem Team an einem Projekt arbeite, dann müssen die Projektziele angestrebt und umgesetzt werden. Hierzu müssen Projektleiter für eine gute Atmosphäre sorgen. Und wenn es ein gutes Team ist, welches mit agilen Methoden arbeitet, dann nicht nur der, sondern alle.
Aber: Was nicht oder fast nie geht ist Ausgrenzung von schwierigen Menschen. Handelt es sich um ein Team von Angestellten, kann man schlicht niemand mal schnell entlassen oder austauschen. Hat man ein knappes Budget muss man teilweise froh sein, wenn man überhaupt Leute bekommt, die vom Fach sind!

Es ist nicht Aufgabe in einer Teamarbeit am Ende eines durch einen Code of Conduct verursachten darwinistischen Prozesses eine Gruppe von sich liebenden Menschen zu erzeugen. Ziele eines Teams sind durch die Projektziele oder durch Arbeitsaufgaben bestimmt. Liebe, so bedauerlich es auch ist, gehört da nicht dazu.

Da mit Ideen von (oft nachträglich aufgestülpten) Codes oder von „sicheren Rückzugsräumen“ ist leider allzu oft nur naives Denken meist junger Menschen im Tweenalter, die noch nie wirklich Projektarbeit gemacht haben und nur an kurzzeitige Verbesserungen für sich selbst denken. Sie übersehen die Effekte auf das Team und dessen eigentlichen Aufgaben über eine längere Zeit. Langfristig sorgt diese Art der Symptombekämpfung für eine Spaltung des Teams. Ergo: Sie zerstören das Team.

Wenn wir eine Gruppe aus verschiedenen Menschen haben, die an einem Projekt arbeiten, dann müssen wir akzeptieren, dass wir ohne wenn und aber ein Team sind. In diesem Team müssen auch schwierige Menschen toleriert, geholfen und auf rechten Wege gebracht werden, so dass es für alle gut ist.  Dazu muss man Kompromisse machen, man muss mit Leuten sprechen, sie miteinander sprechen lassen, man muss für sie da sein und zuhören.

Alles andere ist nur dumm.

Ergänzung/Update:

Thies schrieb dazu ebenfalls gerade einen schönen Satz, den ich ebenfalls zitieren möchte:

Ein „Code of Conduct“ ist das Bekenntnis dazu, dass es ok ist, sich damit zufrieden zu geben, an den Symptomen herumzuwerkeln und die Ursachen außen vor zu lassen.

Ein Code of Conduct geht von der impliziten Vorstellung aus, jeder wird sich entweder daran halten oder gehen. Dies ist in der Realität nur eben nicht der Fall: Irgendwelche Regeln des Umgangs im Büro werden nichts gelten, wenn sie nicht ausdrücklich vor Anstellung im Arbeitsvertrag definiert wurden. Und in einem Community-Project mit Ehrenamtlichen kann ebenfalls kein Zwang ausgeübt werden auf solche Leute, die den Code schlichtweg ablehnen. (Und das ist auch gut so).

Letztlich bleibt es dabei, was oben gesagt wurde: Ein Code of Conduct hilft überhaupt nichts. Im Gegenteil verschlimmert es die Situation noch, da es Ausgrenzung (derjenigen, die sich dem nicht unterwerfen wollen) salonfähig macht, aber von den wahren Problemursachen ablenkt.