Geblendet? Wirklich?

Der Spiegel schreibt gerade mit vollem Druck auf die Tränendrüsen, das man sich habe täuschen, sich habe blenden lassen.

Der Journalist Class Relotius hat offenbar viele Geschichten durch eigene Erzählkunst bereichert und gar andere vollständig erfunden.

Von einem netten bescheidenen Mitarbeiter, der tolle Geschichten schrieb, Kollegen half und der durch seine interessante Berichte und Reportagen nicht nur Verkaufszahlen des Spiegels, sondern auch von anderen Redaktionen erhöhte.

Meedia.de berichtet hier darüber, allerdings ebenfalls tendenziell aus der Sicht einer Redaktion: https://meedia.de/2018/12/19/der-eine-getuerkte-text-zuviel-spiegel-trennt-sich-von-reporterpreis-traeger-claas-relotius-wegen-betrugsverdacht

Ich kenne die Hintergründe nicht. Ich kenne die Person nicht. Aber was ich sehe ist das was fehlt: Selbstreflektion.

Wir erleben in den letzten Jahren immer mehr, wie sehr Pressemedien es mit Fakten immer weniger genau nehmen, wie Fakten einseitig dargestellt werden und andere ohne tatsächliche fundierte Grundlagen aufgebauscht werden.

Als Beispiel sei nur die Berichterstattung über KI genannt oder über Blockchains. Hier werden aktuell und auch durch den Spiegel ohne jegliche tiefergehende Grundlage Meldungen produziert, die für jemand mit fachlichen Nähe nur Kopfschütteln erzeugen.

Auch die Berichterstattung über eine sogenannte Partei, die bewusst das Mittel der Provokation einsetzt um im die Medien zu kommen, was selbst ebenfalls als Meldung auch vom Spiegel gebracht wurde, sie aber nicht daran hinderte, weiterhin über diese Provokationen zu berichten, zeigt eine klare Botschaft: die traditionellen Medien nutzen Artikel und Meldungen bewusst nur als Plattform für Werbung und Kommerz. Die Artikel müssen in erster Linie Menschen ansprechen, sie binden und sie anfixen, mehr zu lesen.  Oder wie es Anwälte des Springer-Verlags formulierten:

„Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermarktung von Werbung. Journalistische Inhalte sind das Vehikel, um die Aufmerksamkeit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen.“
Quelle: Eyeo

Ob diese Geschichten wahr sind, vollständig und fundiert, das ist maximal zweitrangig.

Class Relotius hat offenbar genau das geliefert, was der Verlag wollte. Er hat seinen Job getan. Und dies war der Grund warum es bislang nicht von Relevanz für die Redaktion war, genauer hinzusehen. Jetzt so zu tun, als sei man betrogen worden und man sei das Opfer ist unglaubwürdig. Hieraus dann selbst wieder eine Story zu machen ist schäbig.

Ich glaube auch, ich würde mich auch nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich unterstelle, dass die heutige Offenbarung des Spiegels weniger damit zu tun hat, dass die Chefredaktion von der Sache erfuhr, sondern damit, dass es Grund zur Annahme gibt, dass es ein anderer Verlag herausbekommen hat und davor stand, es zu leaken.

Wer weiß?

Eines ist klar: Krokodilstränen machen aus dem Krokodil kein weißes unschuldiges Häschen. Das Krokodil bleibt ein Krokodil, auch wenn es eines seiner eigenen Kinder schnappt, schüttelt und dann den anderen Raubtieren im Teich zum Fraß vorwirft.