Für ein WordPress-Plugin, welches Barrierefreiheitserklärungen erstellt, war ich heute (wieder) damit beschäftigt, die aktuellen Kontaktdaten für die Aufsichtsstellen für Barrierefreiheit der Länder zu suchen.
Ich hatte das schon einmal vor über einem Jahr gemacht, aber damals gab es viele Stellen noch nicht oder nur auf dem Papier. Zwar gibt es inzwischen auch eine Übersicht vom BFIT Bund, jedoch reicht mir diese nicht aus, da diese oftmals ebenfalls nur E-Mailadressen angibt.
Bei der Recherche auf den Websites der Länder durfte ich dann einige „Perlen“ entdecken. Viele Katastrophen. Aber auch gute und lobenswerte Informationsseiten.
Im Folgenden ein kleiner Auszug.
Berlin
Berlin hat bei seiner Umsetzung der Barrierefreiheitserklärung auch etwas sehr lobenswertes im Sinne der Transparenz gemacht:
Einmal gefundene Barrieren wurden nach ihrer Beseitigung mit Datum als gelöst markiert, aber nicht verborgen.
Was allerdings in Berlin ungut ist (was aber auch bei vielen anderen Stellen der Fall ist), sind die uneindeutigen Kontaktangaben.
In der Erklärung steht die Landesbeauftragte an Kontakt angeben. Geht man auf deren eigenen Website, stehen dort wiederum ganz andere Anschriften, aber nicht die von ihr!
Hamburg
Die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik der Freien und Hansestadt Hamburg findet sich unter der URL https://www.hamburg.de/ueberwachungsstelle-barrierefreiheit/.
Hier werden einige allgemeine Informationen was die Überwachungsstelle tut und was die Erklärung zur Barrierefreiheit ist und was sie benötigt, angegeben.
Und das war es dann auch. Was fehlt? Genau: Kontaktdaten? Wohin wende ich mich denn nun? Und an wen?
Aber vielleicht stand es ja in der Barrierefreiheitserklärung?
Nein, aber so eine Perle ist da zu finden:
Hier steht unter dem Kapitel Durchsetzungsverfahren:
“ Im Rahmen eines Durchsetzungsverfahrens haben Sie die Möglichkeit, online einen Antrag auf Prüfung der Einhaltung der Anforderungen an die Barrierefreiheit zu stellen. Hamburger IT-Schlichtungsstelle
c/o Handelskammer Hamburg
Geschäftsbereich Recht & Fair Play
Adolphsplatz 1 20457 Hamburg“
Okay…. aber wo ist das online? Keine Mailadresse, kein Formular, .. Da ist nur ne Postadresse.
Und die darunter aufgeführte Schlichtungsstelle an die man sich wenden kann, wenn man auf obige keine Reaktion erfuhr, hat nur eine Mailadresse und Telefonnummer angegeben, aber sonst gar keine anderen Kontaktdaten oder auch nur den Namen einer zuständigen Person)
Hessen
Auch die Hessen haben in ihrer eigenen Barrierefreiheitserklärung leichte, kausalverwirrende Umsetzungsschwierigkeiten.
So wird auf der Website eine Information angegeben, wie lange es braucht die Seite zu geben.
In HTML ist diese Angabe wie folgt markiert:
aria-hidden="true" aria-labelledby="..."
In anderen Worten wird dem Screen gesagt, er soll sie ignorieren. Gleichzeitig wird dem Screenreader der Titel gegeben. Den er aber eigentlich ignorieren sollte? Oder doch nicht oder warum?
Nebenbei scheint dort ein großer Textbestandteil der Barrierefreiheitserklärung stumpf via Copy & Paste von anderer Quelle eingefügt worden zu sein. Bei der Auflistung der vorhandenen Mängel fehlt jegliche Semantik und teilweise gibt es Leerzeichen mitten in Worten.
Da kommt dann unter anderem solch eine Perle der Didaktik heraus:
Aber was solls. Hauptsache ich krieg dann unter dem Hauptmenü angezeigt, dass es jetzt gerade 7 Grad in Marburg ist.
Das tröstet doch! Die Information, wie kalt es gerade in Hessen ist, ist doch genau das was ich brauche. Protipp: Wie wäre es wenn ihr noch die Anzeige der aktuellen Uhrzeit ergänzt? Oder eine Anzeige „Jetzt ist hell!“, die aber nur während der Tageszeit angezeigt wird? So etwas muss man doch wissen!
Der Textslider dort ist übrigens nicht mit Aria-Hidden ausgestattet und nicht stoppbar.
Mecklenburg-Vorpommern
Die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von MV erklärt zwar auf ihrer eigenen Website, wie man ein Feedback-Mechanismus als Formular umsetzen könnte, bietet aber selbst keinerlei Kontaktangaben an.
Zwar ist dort ein Formular verlinkt, aber das liefert ein Timeout.
Wenigstens stehen auf der eigenen Barrierefreiheitserklärung dann die Kontaktdaten …
Hm… ob man sich über die Überwachungsstelle bei der Überwachungsstelle beschweren sollte?
Krieg übrigens nur ich den Accordion mit den FAQs nicht auf (mit Tastatur) oder ist das da wirklich kaputt?
Niedersachsen
Die Website der Überwachungsstelle für #Barrierefreiheit in Niedersachsen schockiert mit einem Link auf die Erklärung zur Barrierefreiheit in Form eines PDF-Datei. Die nicht getagt, nicht strukturiert und so nicht barrierefrei ist.
Der Fairniss halber muss man sagen, dass ganz unten im Fußteil der Seite (genauer gesagt in einem optisch als Fußteil markierten, aber semantisch nur als div ausgewiesen Teil) ein Link auf eine HTML-Seite zur Barrierefreiheitserklärung mit selben Inhalt der PDF existiert.
Wobei die Erklärung semantisch ebenso unstrukturiert und offensichtlich schlicht copy-pastet ist wie das PDF…
NRW
Auch die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von NRW macht sich nur über E-Mail erreichbar…
Und lt. eigener Barrierefreiheitserklärung weitere Informationen nur im Ort „hier“.
Aber vielleicht liegt es an mir. Wenn ich mich durchringen würde, das angebotene „Eye-Able“ zu nutzen, würden bestimmt alle meine von anderen verursachten IT Probleme gelöst werden.
Mit dem Overlay könnte ich vielleicht sogar im Lotto gewinnen, wer weiß?
Rheinland-Pfalz
Die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Rheinland-Pfalz ist beim Landesamt für Steuern angesiedelt.
Und das merkt man.
Zwar wird hier mal eine korrekte Adresse angegeben, aber ansonsten spürt man den Hauch von Initiative, Engagement und Hilfsbereitschaft eines Finanzamts.
Die Barrierefreiheitserklärung aus dem Jahr 2019 (!) ist, unverblühmt gesagt, eine Unverschämtheit.
Zitat:
„Bei dem bevorstehenden Relaunch der Webseite werden die aus Sicht der Dienststelle fehlenden barrierefreien Elemente im Ausschreibungsverfahren mit einbezogen.“
Dem Landeamt interessiert offenbar nicht was in dem Industriestandard steht, sondern es zählt die eigene Sicht.
Interessanterweise wird bei der eigenen Barrierefreiheitserklärung dann aber nicht auf die im eigenen Haus angesiedelte Überwachungsstelle verwiesen, sondern auf den Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz.
Saarland
Endlich auch mal was zu loben. Die Überwachungsstelle Digitale Barrierefreiheit Saarland (angesiedelt bei dem Deutschen Institut für Menschenrechte) , macht einen sehr guten Eindruck.
Gute und aktuelle Informationen. Transparenz über das Projekt und was man tut und Angabe der Beteiligten. Hier fühlt man sich und die Sache ernst genommen.
Nach den vorherigen, trüben Erfahrungen mit Rheinland-Pfalz wirkt diese Website wie ein warmer Sonnenschein.
Einzig nach den Kontaktdaten der Schlichtungsstelle musste ich etwas suchen.
Sachsen
Auch bei der Überwachungsstelle sieht man der Website an, dass da jemand hinter steckt, der weiß was er tut. Gut.
Soweit ich aber hörte, suchte Herr Fischer ein Nachfolger, weil er nächstes Jahr was anderes tut…
Bemerkenswert: Dies ist die erste Überwachungsstelle, bei der ich den Bericht für die EU Kommission zum Download erhalte! Große Kudos an Herrn Fischer dafür!
Da kann man dann auch ein Auge zudrücken, dass der Link „hier“ heißt.
Doch es kann leider nicht lange bei Sonnenschein bleiben: Unschön ist die Umsetzung der Barrierefreiheitserklärung die Website der Landesregierung.
Sachsen bietet auf seiner Barrierefreiheitserklärung folgende lustige Servicebeschreibung an.
Aber keine Angst, man bekommt „unten“ in der Erklärung ja einen Kontakt an den man sich wenden kann, nämlich dem Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Adresse ist angegeben, alles gut.
Und eine eine Homepage..
Nur bei verlinkten Website des Beauftragten wird man dummerweise zu einer Fehlerseite geleitet.
Ups.
Sachsen-Anhalt
Die Landesfachstelle für Barrierefreiheit aus Sachsen-Anhalt .. befindet sich noch im Aufbau.
Laut Barrierefreiheitserklärung seit Anfang 2020.
Aber nu mal nicht so die Pferde scheu machen..! Ist ja auch erst 5 Jahre her, seitdem die EU Richtlinie erlassen wurde…
Schleswig Holstein
Sehr sparsam geht wieder die Stelle in SH zu Barrierefreiheit mit Informationen und Kontaktmöglichkeiten um. Die Stelle ist ja auch nur wochentags zw. 9 und 15 Uhr besetzt. Also naja, die Landesbeauftragte bemüht sich dann da zu sein.
Entsprechend kurz ist die Erklärung der Barrierefreiheit auf der Seite:
https://landtag.ltsh.de/beauftragte/beschwerdestelle-fuer-barrieren/xxx/
Sie besteht im wesentlichen aus dem Satz:
„Diese Internetseite der Beschwerdestelle sollte barrierefrei zugänglich sein.“
Aber wenigstens hat die Erklärung eine schöne URL. Steht das xxx am Ende etwa für… die Triple X der Barrierefreiheit?
Thüringen
Zuallerletzt wieder ein Lob für eine Stelle: Die zentrale Überwachungsstelle digitale Barrierefreiheit von Thüringen bietet wie auch Sachsen einen Bericht zum Umsetzungsstand zum Download an.
Zwar hab ich ein paar Magenschmerzen bei dem Bericht (insbesondere nämlich bei der Feststellung wann eine Erfüllung nach WCAG 2.1 gegeben ist und wann nicht), aber trotzdem ist das auch sehr interessant.
Was mir aber besonders gut gefällt und sehr spannend ist, ist dass Thüringen eine Datenbank der Webportale aufbaut, auf die dann die Berichterstattung aufsetzt: https://digitale-barrierefreiheit.thueringen.de/
Update / Ergänzung (22. Dezember)
Die obige Auflistung enthält nicht alle Überwachungsstellen. So fehlen beispielsweise der BFIT Bund und die Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik der Freien Hansestadt Bremen.
Der Grund hierfür ist der, dass ich obigen „Streifzug“ nicht als Statusübersicht aller Stellen plante; Stattdessen war ich schlicht auf der Suche nach den mir noch fehlenden aktuellen Kontaktangaben der Stellen, die in Barrierefreiheitserklärungen aufgeführt werden müssen.
Bei meiner vorherigen Suche vor über einem Jahr war ich bei den genannten bereits fündig geworden und zufrieden. Diese Stellen hatten also bereits vor längerer Zeit ihre Tätigkeit aufgenommen und alle relevanten Informationen vorgehalten. Es gab also auch keinen Grund mehr, diese nochmals aufzusuchen. Und ja, das kann man durchaus als verstecktes Lob auffassen ;)