OSDL-Patentprojekt und Stallman

Richard Stallman, altergrauter GNU-Projektgründer, griff kürzlich in einem Artikel das OSDL-Projekt an:
If the worst thing about the project were its inability to solve the whole problem, it would still be better than nothing. But given that it can also backfire, it can be worse than nothing.

Stallmans Argumentation erinnert mich an die Argumentation deutscher Blockadepolitiker:
Man möchte eine Lösung, die ein bestimmte Strategie oder Konzept verfolgt und nichts anderes. Alles, was versucht mit einem anderen Konzept zu interagieren oder damit Kompromisse einzugehen, unterstützt damit das andere und ist als schlecht zu werten und somit abzulehnen.
Weil einige wenige zudem einen Kompromiss -vielleicht- ausnutzen könnten, ist die gesamte Lösung ebenfalls schlecht.

Ich denke, Stallman geht hier zu dogmatisch naiv und vielleicht zu fanatisch an die Sache heran. Zumindest jedoch scheint er die Erfahrungen der letzten Jahre zu ignorieren.
Er führt zwar an, daß einige große Firmen aufgrund der Auswüchse der US-Patentpolitik bereits am Umdenken seien und durch Lobbyisten auf Politiker Druck ausüben; Aber das ist wohl sehr oberfächlich betrachtet.
In der Tat machen Konzerne, wie Microsoft inzwischen auch Druck für eine Änderung des Patentsystems. Dorch nicht etwa für das Ziel, welches Stallman gerne hätten. Die Konzerne wollen lediglich solche Player weg vom feld haben, die als „Patenttrolle“ ihnen das Geschäft versauen.
Sie selbst (also die großen Konzerne) sind dagegen die guten, die zu aller Recht Trivialpatente hätten.
Stallman selbst sieht dies genauso, indem er schreibt:
Some large companies are starting to recognize the problem that software patents cause; but since they have research labs and large patent portfolios, they do not want to eliminate software patents. They only want to get rid of the absurd ones that are likely to cause trouble for them.
Die darauffolgende Logik, daß die OSDL dies nur unterstützt, ist doch etwas wirr:
So they now call for measures to „improve patent quality.“ The OSDL project responds to this appeal,..

Stallmann meint, daß die OSDL den Einreichern von Trvial- und Blockadepatenten nur Mittel in die Hand geben würde, die Texte so zu gestalten, daß Prior-Art umschifft wird.
Und dies würde OSDL so gefährlich machen.

Man könnte dies so sehen. Allerdings steht hier die Praxis dagegen.
(Genausogut kann man behaupten, das Open Source deswegen unsicher ist, weil jeder in den Quellcode schauen kann und etwaige Fehler finden kann. Oder man kann behaupten, daß OpenSource für Firmen deswegen schlecht ist, weil ja die Konkurrenz sehen könnte, wie es gemacht wurde und somit einen Wettbewerbsvorteil erzielen könne…). Das ist nicht viel anderes als der „Security by Obscurity“-Ansatz.

In einem Kommentar zu Stallmans Artikel schreibt Jan Kechel dann auch:
You should never hold back any information, just because it *could* be bad. Isn’t that one of the basics of free software?
If we would start to hide our projects, or wouldn’t agree on a project whose only goal is to make software easier to find ( for everybody, including the USPTO), then we would be definitely on the wrong way!

Ich sehe dies genauso.
Stallman ist hier nicht konsequent. Er weigert sich Feuer mit Feuer zu bekämpfen, wie ODSL es tut, verläßt aber selbst seine Philosophie wenn es ihm passt.

Zum anderen: Große Firmen und Konzerne, die eben Patente in Masse ordern haben ohnehin entsprechend personell bestückte Rechtsabteilungen. Diese wissen ganz genau, wie sie bei den Patentämter an welchen Stellen formulieren müssen, damit sie Erfolg haben. Das ist derren Job.
Dazu brauchen die jedoch keine zusätzliche Datenbank mehr.
Im Gegenteil würde das Kontrollieren damit nur ein Mehr an Arbeit erfordern. Wozu auch sollten die es tun? Ein Prior-Art-Argument wird erst dann vacant, wenn jemand gegen ein Patent vorgeht.
Der Bearbeiter beim Patentamt wird jedenfalls nicht vorweg kontrollieren. Schließlich verdienen dei Patentämter auch an Widersprüchen gut Geld.

Nun ist es am Ende also nur eine Wirtschaftsrechnung: Ist es teurer (Personalzeit) für jedes einzureichende Patent bei ODSL nachzurecherchieren oder ist es teurer, wenn vielleicht eine gewisser kleiner Prozentsatz an Patenten aufgrund Prior-Art-Meldungen nach einiger Zeit abgewiesen werden?

Da SW-Patente oft nur als Blockade-Patente eingesetzt werden um die Konkurrenz aufzuhalten, vermute ich, daß die Gefahr von ODSL einfach hingenommen wird. Warum auch eigenes Personal für Recherche und Textkorrekten aufwenden, wenn es dann später die Konkurrenz tun muß? :)
Die Konkurrenz wird zumindest für die Zeit derren anwaltlicher Prüfung eines Patents beunruhigt und behindert sein. Das reicht schon.
Zu mehr taugen echte Patente ja auch nicht, es sei denn man hat wirklich ein Patent über eine Kerntechnologie, welche man nicht einfach umgehen kann.

Von daher sag ich: Geringe Gefahr des Missbrauchs der ODSL.
Dagegen sehe ich aber den Vorteil für kleine Firmen oder Networker, die anhand der ODSL viel leichter auch gegen große Firmen und Konzerne vorgehen können. Dieser Vorteil überwiegt den vermuteten Nachteil.