Kooperatives Arbeiten vs. Traditionelle Wege

Der Hamburger Journalistik-Professor Siegfried Weischenberg meckert über die neue Kultur des kollaborativen Arbeitens (was aber bei dem Fachgebiet nicht verwunderlich ist).

Laut ORF.at äußerte er: „Man tut, als wenn die Inhalte vom Himmel fallen würden.“ Tatsächlich sei ein großer Teil des Web-Angebots nichts anderes als ein „Recycling auf der Basis von geistigem Diebstahl“.

Und weiter:

Gerade erst habe der Verkauf der Internet-Plattform YouTube an den Branchenriesen Google gezeigt, dass „mit den Gratisbeiträgen von Laien am Ende das große Geschäft von wenigen Profis gemacht wird“. Spätestens wenn Google irgendwann auch noch die von Amateuren aufgebaute Internet-Enzyklopädie Wikipedia übernehmen sollte, „wird auch dem Letzten klar werden, dass an den schöpferischen Leistungen vieler einzelner Idealisten am Ende – wenn überhaupt – immer wenige andere verdienen, die nicht so altruistisch sind“.

Lieber Journalistik-Professor: Erkenntnisgewinn und Gutes für die Allgemeinheit muss nicht immer nur Geld oder der Gewinn einer alleinigen Urheberrechtsschaft bedeuten.
Es ist nichts schlechtes daran, daß Firmen auch mit den Erzeugnissen einer Allgemeinheint, also mit einer digitalen Almende, Geld verdienen – solange sich hierdurch nichts für die Benutzer ändert.
Mir ist es Wurscht wem die Server für YouTube, Wikipedia oder einer Anleitung zu HTML gehören – solange ich es weiter frei nutzen kann.
Der Gewinn für die Allgemeinheit und damit auch für die Autoren und einzelnen Kreativen ist ungenommen der, etwas gemeinsames geleistet zu haben, was einzelne andere, eine Gruppe oder die Allgemeinheit voranbringt.

Wir befinden uns derzeit in einem Umbruch.

Durch die neuen Formen des kooperativen Arbeitens werden herkömmliche Wege der Publikation, aber auch der Erschaffung von neuen grundsätzlich in Frage gestellt.
Gerade das Mediawiki und auch YouTube zeigen eindeutig, daß sie den herkömmlichen Publikationsmedien, bei denen eine redaktionelle Kontrolle vor der Veröffentlichung steht, überlegen sind.
Binnen weniger Jahre hat so die Wikipedia die auf herkömmlichen Wege und über viele Jahre erstellten und gepflegen Duden und Lexika in Bedeutung, Quantität und auch Qualität überholt.
Ähnliches gilt für die Expertenforen. „Wer-weiss-was“, „Akademie.de“ und wie sie alle heißen, bei denen stark Wert auf redaktionelle Kontrolle gelegt wird, haben gewaltig gegenüber diese neuen Medien aus Tehmenwikis, Corporate Blogs und Social Networks verloren. Wenn sie nicht sogar schon den Kampf ganz verloren haben.

Das an jeder neuen Entwicklung auch einzelne Geld verdienen stört überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es zeigt doch gerade wie Wertvoll die neuen Dienste und der Zugriff auf derren Erzeignisse sind. Das wirkt als Motivation einerseits, als Zeichen gegen die etablierten Wege andereseits (warum sind diese nicht so viel wert? Und wenn sie so viel besser wären, warum geht es denen so schlecht?).

War früher der Weg einer Publikation oder einer Erzeugnisses ganz klar definiert und somit auch die Nutzbarkeit und die daraus erwachsenen Rechte, so ist dies bei den neuen Medien nicht mehr der Fall.
Früher konnte ein Künstler aufgrund seines alleinigen Urheberrechts die einzige Hoheit über sein Werk verteidigen. (Und sei es sogar ein Kunstwerk, welches aus öffentlichen Geldern bezahlt wurde und vermeintlich für dieses sei. Vgl: Petra Tursky-Hartmann: Was kostet der Himmel?).
Egal ob dies zu Gunsten oder zum Nachteil der Allgemeinheit war.

Bei den neuen Wegen der Publikationen jedoch ist der Autor nicht mehr festgelegt. Plötzlich tragen viele dazu bei um den temporären Zustand eines Werkes zu erzeugen, welcher Morgen vielleicht schon wieder anders sein könnte.
Konzepte wie Urheber- und Markenrechte fallen hier ganz klar unter dem Tisch.
Und das ist auch gut so, denn es ist ehrlicher.

Denn eigentlich niemand kann wirklich behaupten der einzige Schöpfer eines Werkes zu sein. Jedes Werk basiert auf Inspirationen, die nicht einfach im luftleeren Raum entstehen!
Wer anderen vorwirft, geistigen Diebstahl zu betreiben, sollte sich vielleicht mal fragen, woher all seine Floskeln kommen, woher die Grundlagen der eigenen Rhetorik und das Wissen, welches man hat.
Hätte es ein Karajan geben können, wenn es Bach nicht gegeben hätte?

Durch die Vernetzung und durch die Offenlegung von vielen Techniken im Netz sieht man doch sehr eindrucksvoll, wie viele Menschen zur selben Zeit und unabhängig voneinander auf dieselben Ideen und Gedanken kommen.
Das hat nichts mit dem Kopieren oder Stehlen zu tun, sondern mit einer Einwirkung von Wissen, ähnlichen Erfahrung und der Umgebung, die bei Menschen zu ähnlichen oder gleichen Schlussfolgerungen führt.

Es ist jedoch verständlich, daß diese neuen Formen der Zusammenarbeit vielerorts auf Skepzis, Angst und Ablehnung stoßen. Auf eimal ist man nicht mehr alleine Urheber.

O-Ton:
Jeder Hanswurscht kann mein Zeug einfach nutzen ohne das ich etwas davon hab.
(Aber geb ich demjenigen was zurück, von dem ich etwas gelernt hab oder der mich zu einer Inspiration anregte?)

Dennoch: Wirtschaftlich, kulturell und politisch zeigen Projekte wie Wikis, Blogs, Social Networks, Virtuelle Welten, P2P ein enormes Potential.

Und bei den Mutigen erzeugen sie eine Frage:
Wenn diese Methoden des kooperativen Arbeitens so erfolgreich sind, dass Erzeugnisse der traditionellen Methoden nicht mehr dagegen konkurrieren können, müssen wir dann nicht diese alten Methoden verwerfen um in Zukunft noch erfolgreich sein zu können?

Die Forschung auf dem Fachbereich der Biologie hat bereits festgestellt, das die Gruppenintelligenz immer höher ist als die intelligenteste Person in der Gruppe.
Die Forschung auf dem Fachbereich der Mathematik und Logik hat uns bereits vor Jahrzenten mit der Mengentheorie gezeigt, daß ein Zusammenarbeiten vieler zu einem höheren Benefit für alle führt.

Wie sieht es in den anderen Bereichen aus?

4 Kommentare zu “Kooperatives Arbeiten vs. Traditionelle Wege

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  1. Tja, die Chinesen sind ja grad dabei, den westlichen Industrienationen das KnowHow abzunehmen (teilw. bekommen sie es ja auch zugespielt) um es hier in Europa in Form eigener Produkte erfolgreich zu vermarkten.

    Btw., was wir hier als Guano kaufen, ist mit Sicherheit Hühnermist aus asiatischen Ställen. Dabei ist die Vogelgrippe nur eine kleine Randerscheinung und die wahren Ursachen derer Verbreitung werden totgeschwiegen.

    –roro

  2. Lies dir mal die Geschichte des Automobilbaus in Deutschland durch.
    Damals haben die heute großen Konzerne selbst ohne schlechtem gewissen voneinander abgeschaut und kopiert. Das war ganz normal.
    Denn man hat auf die Qualität der Umsetzung und Service gesetzt und darauf Innovationen zu machen und dann als erster umzusetzen.

    Wenn man jedoch heuzutage nicht mehr primär auf Innovationskraft, Qualität und Service, sondern nur auf PR und Aktionkurse setzt, Entwicklung outsourced zu Ländern in der die Entwickler auch eine ganz andere Mentalität als die Kunden haben, dann ist es kein Wunder, daß man Angst vor dem Wettbewerb hat.

  3. Moin Wolfgang,

    die Kopiererei im Automobilbau gibt es nach wie vor. Im Design ist sogar eine richtige Konvergenz zu verzeichnen, Honda, VW, Mecedes usw. sehen heute alle gleich aus. Erst beim näheren Hinschauen wird im Kühlergrill entweder ein VW-Symbols oder ein Mercedesstern sichtbar. Ich finde diese Entwicklung schade und bedauerlich.

    Kurz gesagt: In diesem Thema kann ich Dich sehr gut verstehen, gerne erinnere ich mich an Deine CGI-Tutorials und andere umfangreiche Hilfen im Netz ohne die ich ganz sicher nicht weiter gekommen wäre. I-Netlab, PERL-Base, Artikel für den SELF-Raum… das war über viele Jahre auch meine Gegenleistung auf Grundlage der von Dir beschriebenen Philosophie.

    Andererseits bin ich in diesem Thema aber auch nicht ganz Deiner Meinung, das begründet sich mit der Realität. Beispielsweise ist es mir nicht Wurscht, ob jemand mit meinem freiwillig hergegebenen Knowhow Geschäfte macht oder nicht. Das war auch der Grund für meine Entscheidung die Perlbase einzustellen.

    Viele Grüße, Rolf

  4. Hi Wolfgang,

    zum Thema fällt mir noch eine Geschichte ein, die über 20 Jahre zurückliegt…

    Viele Jahre habe ich Radios und andere elektronische Schaltungen gebastelt und dabei auch eigenes knowhow entwickelt, was bestimmte Schaltungstechniken betrifft. Hab Fachliteratur gelesen, u.a. die Zeitschrift „Radio Fernsehen Elektronik“ (RFE). Aus dieser Zeit waren mir viele Namen von Autoren geläufig.

    Während meines Studiums lernte ich einen dieser Autoren der RFE als Dozent persönlich kennen. In einer der Vorlesungspausen redeten wir einmal ganz privat über seine Publikationen, wo ich mich natürlich auch sehr anerkennend dazu äußerte.

    Dc. J. zeigte sich erstaunt über mein Lob und sagte dann lächelnd:

    „Es ist nicht so, dass ich in meinen Artikeln über was schreibe, was auf meinem Mist gewachsen ist. Ich publiziere nur das, was bisher ohnehin bekannt ist.“

    Nach Deiner Blog-Notiz kommen mir einige Parallelen zu dieser Geschichte in den Sinn. In Kurzform:

    Es ist ein großer Unterschied, ob jemand bekanntes Wissen publiziert (aus Spaß an der Freude, gegen einen geringen Obolus oder sonstwas) ODER ob jemand sein eigenes KnowHow am laufenden Meter für Umme broadcasted. Und quergedacht ist dann auch noch zu betrachten, was Dritte mit solchen Publikationen machen, ob sie die eigennützig vermarkten oder nicht.

    Im Falle, dass jemand was weitervermarktet, was ich vielleicht publiziert habe, aber was nicht auf meinem Mist gewachsen ist, isses mir eh egal was der Marktwert ist oder ergibt. Aber auf jeden Fall werde ich es nicht zulassen, dass jemand ein von mir entwickeltes KnoHow für eigene Zwecke vermarktet ohne mich zu fragen.

    Viele Grüße,
    Rolf