Aus Sicht eines Piraten war das Jahr 2015 nicht gerade prickelnd.
Und dabei denke ich nicht an die Lage in der Piratenpartei, wo einige vormals aktive Leute frustriert das Handtuch warfen um in Zukunft …ja was eigentlich zu tun? Etwa die Etablierten wieder wählen?
Denn genau an die Etablierten denke ich, wenn ich das vergangene Jahr sehe:
2015 ist das Jahr, in dem Grundrechte und Visionen weiter abgebaut wurden. Trotz recht eindeutiger Sachlage und Gerichtsurteile haben wir wieder eine Vorratsdatenspeicherung.
Beschlossen nicht allein von SPD und CDU, sondern auch beschlossen von den Ländern in denen auch Grüne und Linke mit wirken.
Die nicht gewählte EU-Kommission intrigiert weiterhin zusammen mit ebenfalls ungewählten Konzernvertretern und den USA um TTIP auf Teufel komm raus durchzusetzen. Und unsere Bundesregierung, geführt aus CDU/CSU und SPD macht hierbei mit.
Auch bei der Datenschutzreform erzählt uns die Regierung Märchen von blauen Himmel und sicheren Daten hier, während sie in Brüssel das Gegenteil unternimmt und unsere Daten weiterhin ohne jegliche Skrupel verkauft.
Auch die SPD zeigt wieder einmal deutlich ihr altbekanntes Janusgesicht:
Zeigt die Basis sehr deutlich, was sie von all diesem Treiben hält, kommt davon nichts bei den Parteitagen als Beschluss durch.
Und dann gibt es wieder und wieder und wieder einmal irgendeine Gruppe oder einen Kreis in der SPD, welche sich für das Richtige einsetzt, sei es gegen TTIP, sei es für Datenschutz, sei es für Digitalisierung oder Bildung, die so kurz davor steht, eine Position oder einen Leitantrag dazu erfolgreich zu stellen…. ohne dass dies jedoch dann bei einem Parteitag dann soweit kommt.
So sehr man sich darüber aufregen mag, als ein wenig zynisch denkender Informatiker der auch eine Prise Argwohn mit bringt, möchte ich hierfür die SPD-Marketing-Strategen gratulieren: Durch diese Taktik ist es der SPD in den letzten Jahren nun mehrfach gelungen, Menschen dazu zu bringen, sie doch noch zu wählen, in der Hoffnung, dass sich dann doch noch was zum Besseren bewegt. Schließlich gibt es ja da diese oder jene Gruppe. Und die wird bestimmt erfolgreich sein. Ganz sicher. Ok. Vielleicht nicht heute. Aber morgen. Oder übermorgen. Irgendwann…
Auch bekannte Persönlichkeiten, die als Netzexperten der SPD durch die Medien touren, machen dabei fröhlich mit.
2015 haben wir verloren: Grundrechte wurden und werden in Frage gestellt.
Minister, die auf die Verfassung ihre Treue schworen, stellen dieses in Frage, schwafeln gar von irgendwelchen Supergrundrechten. Der NSU-Prozess und der NSA-Untersuchungsausschuss offenbaren ein gefährliches und kriminelles Verhalten von Mitgliedern der Regierung.
Das Kanzleramt erweist sich als zentrale Quelle von Falschinformationen und geheimen Anordnungen an untergeordneten Einrichtungen. Wird letztlich versagen und Fehler der verantwortlichen Personen festgestellt, so passiert… nichts. Sieht man von den GEZ-bezahlten Einladungen zu Talkrunden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ab.
Die Kanzlerin präsentiert angesichts der Flüchtlingslage, die durch das Wegschauen der Regierung in den letzten Jahren und den stetigen Waffengeschäften an korrupte Regierungen sicherlich mit befördert wurde lediglich einige Marketingsprüche, die dem Pointy Hary Boss aus Dilbert zur Ehre gereichen würden.
Als die Kanzlerin sagte „Wir schaffen das!“, meinte sie dann auch nicht das „wir“, welches wir kennen. Wie auch bei der Datenschutzreform spielte hier die Regierung ein mieses Spiel: „Außen hui, innen Pfui.“
War die Flüchtlingskrise seit langen vorhersehbar tat die Bundesregierung nichts und ließ sowohl die Länder und Kommunen allein.
„Wir schaffen das!“ war nicht mehr als eine symbolische Marktingbotschaft für die Kanzlerin selbst. Die Arbeit jedoch, die wirkliche Aufopferung, fand ganz woanders statt. Nämlich überwiegend bei den einzelnen Menschen vor Ort. Bei vielen, sehr vielen Ehrenämtler die Tage und Nächte opferten und weiterhin opfern um andere Menschen, die in Not gerieten, beizustehen. Nicht mit, sondern trotz der Regierung, die sich nun mit dieser Opferbereitschaft der Menschen und der freiwilligen Helfer brüstet.
Persönlich halte ich das Verhalten der Kanzlerin in dieser Sache sogar für schlimmer als das von der CSU. Die CSU und mir ihr Seehofer, macht sich in ihrer harten Haltung ganz klar zum Buhmann. Doch gleichzeitig tut die CSU tatsächlich viel auf kommunaler und auf Landesebene. Die CSU meckert, sie poltert, sie zündelt auch. Aber wenigstens tut sie dabei was. Bei der CSU weiß man wenigstens woran man ist. Die CDU, die Bundesregierung und die Kanzlerin dagegen, geben sich als galante Ritter auf weißem Pferd. Während sie hinter der Hand und von der Presse nicht beachtet, neue Waffendeals mit Saudi-Arabien und anderen Staaten machen.
Die Arroganz der Macht scheint all zu oft Parteigrenzen zu überwinden. Wir sehen in Stuttgart was die Grünen tun, nachdem sie an die Macht gerieten. Kretschmer hat -ganz nach Vorbild von Seehofer- bereits angekündigt, pro TTIP zu stimmen. Dabei hätten uns die Regierungsjahre von Rot-Grün eigentlich Warnung genug sein können. Die Regierungsjahre in denen uns SPD und Grüne nicht nur Hartz4 brachten, sondern wo auch insgeheim die Grundlagen der Geheimdienstzusammenarbeit geschaffen wurden. Deren Folgen uns Snowden offenbarte.
Und wer ist schuld an dem allen?
Wenn es nach einigen verwirrten Seelen geht, dann ist die Piratenpartei an allem schuld!
Wir sind schuld daran, dass wir 2009 nicht richtig aufgepasst haben, welche komischen Nasen auf Wählerlisten kamen. Genauso wie wir dafür schuld sind, dass wir nicht genug fest angestellte Leute haben können, die Hauptberuflich Marketing und Verwaltung machen.
Aber auch das spielt keine Rolle und wäre nur Ansatz zu schwachen Entschuldigungen. Schlicht:
Was fällt uns Piraten überhaupt ein? Wie konnten wir es überhaupt wagen, uns in Politik einzumischen!?!
Es gibt einige Leute, die aufgrund von Enttäuschung über einzelne Vorfälle es sich zum Ziel genommen haben, die Piratenpartei als ganzes und manche Piraten als einzelnes schlecht zu machen. Das ist nervig. Aber es ist deren gutes Recht und man muss es auch aushalten können. Trotzdem frage ich mich, ob das alles ist, was sie tun? Was ist denn jetzt die Alternative? Sollen wir weiterhin oder wieder zum Stimmvieh von einer der vier etablierten Parteien werden? Sollen wir Nichtwähler werden und so durch die Regelung der Parteienfinanzierung dann doch die großen Parteien unterstützen? Hat sich eigentlich irgendwas von den Zielen und den Gründen für die Piratenpartei geändert? (Nein.)
Klar und nicht zu widersprechen ist: Die Piratenpartei als Ganzes aber auch Piraten als Einzelne haben heftige Fehler gemacht. Wir haben in unsere Naivität jedes andere Parteimitglied ungeprüft als eines der unsrigen gesehen. Als jemand, mit genau denselben Meinungen und Visionen.
Dies war und ist falsch und dumm. Und es war ignorant gegenüber dem was es bedeutete, als wir selbst einst sagten, dass die Partei auch eine Plattform sein sollte für verschiedene Meinungen. Denn das wurden wir – es kamen Leute rein, die diese Plattform nutzten. Jedoch nicht im Sinne der Partei und deren satzungsgemäßer Ziele, sondern um ihre eigene Agenda und ihre eigenen Karieren zu fördern.
Wir haben auch nicht geschaut, ob die Leute, die unsere Beauftragten und Sprecher waren auch tatsächlich die notwendige inhaltliche Kompetenz hatten. Am Ende hatten wir Netzpolitische Sprecher, die zwar viel Sprechen können, aber von Netzpolitik soviel Ahnung hatten wie Lieschen Müller von Quantenphysik. Ähnliches traf auf viele andere Beauftragte oder bekannte Namen zu.
Die CSU hatte nur einen Guttenberg. Wir hatten dafür viele.
Kurzum: Wir haben genau das getan, beziehungsweise waren auf demselben Weg dahin so zu werden wie die großen etablierten Parteien: Viel Schein, große Worte, aber kein Sein, keine Kompetenz.
Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Wir haben zugelassen, dass Leute mit großem Maul an Führungspositionen kamen. Wir haben sie sogar selbst gewählt. Wir waren zu faul, um richtig nachzuprüfen, wer da eigentlich kommt und was der oder die tatsächlich drauf hat.
Und mehr noch: Als erste Kandidaten zu Ämtern anfingen sich dem „Grillen“ und dem Nachfragen zu verweigern (manche im Vorfeld, manche durch Spontankandidaturen), haben wir das einfach so hingenommen.
Und dafür haben wir den Hass, mit den einige Ex-Piraten die Piratenpartei nun verfolgen, durchaus verdient.
2015 hat in der Politik quasi ein Reset statt gefunden. Wir sind wieder zurückgeworfen worden auf die frühen Jahre zwischen 2001 und 2010. Der Demokratieabbau nimmt wieder zu. Grundrechte werden eingeschränkt, die Lücke zwischen Arm und Reich wird immer größer und selbst die Europäische Idee ist in Gefahr.
Auch in der Piratenpartei gab es 2015 den Beginn eines Resets.
Wir können und mit den Erfahrungen über die gemachten Fehler neu starten.
Doch es wird nicht leicht. Die politischen Gegner haben ebenfalls aus ihren Fehlern gelernt. Sie sind dabei, all das, was weltweit an einem Mehr an Mitbeteiligung und Mitbestimmung eingeleitet wurde, rückgängig zu machen.
Das Internet wird durch immer mehr Regularien „gebändigt“. Nicht Zensur allein wird benutzt, sondern auch ganz normale harmlose Einschränkungen, die scheinbar gut sind, wie wir es bspw. nun an der Cookie-Richtlinie sehen, die uns täglich zu nervigen Meldungen bringt.
An das Leistungsschutzrecht haben wir uns ebenfalls bereits gewöhnt.
So wie der Frosch im Kochtopf über das erwärmende Wasser, denken wir darüber gar nicht mehr nach. Das vermeintlich gute „Recht auf Vergessen“, erweist sich als Bumerang und immer mehr als nützlicher Hebel mit dem gerade Korrupte und Kriminelle, aber auch Konzerne und Politiker ihre Spuren verwischen. Der früher im Dienste der Bürger tätige Datenschutz erweist sich immer mehr als eine Behörde, die sich gegen den Bürger wendet und die Taten des Staats ignoriert. Ein illegaler Troyaner im Staatseinsatz erweist sich als folgenlos, während eine Sekretärin, die aus versehen eine Massenmail sendet in der alle Adressaten im CC sichtbar sind mit einem Bußgeld über 50.000 Euro konfrontiert wird. Und während einige von uns noch den neuen Privilegien der Datenschutzbehörden zujubeln, wird sie bereits dazu gewandelt, um in Zukunft als Zensur- und Kontrollbehörde zu wirken.
Wir Piraten werden gebraucht. Dringend.
Und wer, wenn nicht wir?
Danke! Einfach ohne Schnörkel danke.
Selten so ’nen Bullshit gelesen – der von hinten bis vorn richtig ist. Stimmt…jeder einzelne Punkt. Das bullshittige daran ist, dass hier die Notwendigkeit einer Programmpartei beschrieben wird. Und so ziemlich jede Partei könnte ihrer jeweiligen Geschmacksrichtung nach, eine ebenso beeindruckende Notwendigkeitserklärung verfassen.
Hab ich den Piraten mal „Cargokult“ vorgeworfen? Hier zu lesen in Reinkultur.
Alles was „magisch“ war an den Piraten wurde konsequent von Anhängern des Cargo Kultes „How to Partei“ weggebissen.
Es hätte eine „Funktionspartei“ gebraucht, eine die sich nicht im links/rechts Spektrum verorten lässt.
Es hätte eine Partei gebraucht, die mit Demokratie und Entscheidungsfindung das experimentieren wagt.
Es hätte eine Partei gebraucht die nur in die Parlamente will, um von dort den ritualisierten Irrsinn zu offenbaren.
Und es hätte eine Partei gebraucht, die den Mut hätte, die obigen Punkte mutig zu vertreten.
Auch ich habe mich schweren Herzens von den Piraten abgewandt….auf die Frage „wen willst wählen?“ Habe ich sogar eine Antwort: Ich schreibe jede (nicht radikale) Partei auf einen Zettel, falte diese und lasse das Los entscheiden indem ich blind einen dieser Zettel ziehe.
Danke!
Es ist eine Frage des Vertrauens: Wer vertritt meine Interessen, wer verteidigt sie und wer schützt mich zuverlässig?
Nun, ich komme grad von der Piratenseite: Da habe ich nichts Vertrauenserweckendes gefunden. Bringen wirs doch mal auf den Punkt: Was in Köln passiert ist, das war ein Terroranschlag!
Es ist absolut nicht die Frage, woher die Täter kommen und es ist auch keineswegs die Frage, ob es Frauen oder Männer betrifft.
Das Statement, was die Piratenpartei zu diesen, gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Anschläge abliefert ist genauso lächerlich wie der ganze andere Stuss der durch die Medien geistert.
Arme Täter? Nein: Armes Deutschland! Eine kaputte Demokratie ist der beste Nährboden für Braunkack und Selbstjustiz!