PR-Zerhechsler, Verständlichkeit und das Stille Post-Prinzip

Eigeninitiative und Kreativität sind gut, wenn sie an der richtigen Stelle, nämlich bei der Erschaffung neuer Sachen eingesetzt werden.

Doch wie ist sie zu werten, wenn sie in der PR eingesetzt wird, wenn es um fachliche Inhalte geht?

Aus einer eigener, verfl**ten Erfahrung:

Fachmann der Einrichtung XY der Organisation Z schreibt Artikel zur Veröffentlichung:
b enthält b1, b2 und b3 und hat Auswirkung auf das gesamte Spektrum des Alphabets.

Da die Einrichtung XY eine eigene Redaktion hat, kriegt diese den Text um eine Veröffentlichung daraus zu machen, die natürlich auch im Rahmen der CI ist.
Die Redaktion macht somit folgendes aus dem Artikel:
b enthält die Werte b1, b2 und b3 und hat Auswirkung auf das Alphabets.
Die Einrichtung XY tut dies und das und ist super.

Da die Einrichtung der Organisation Z zugeordnet ist, die eine eigene Medienabteilung hat mit gebührenpflichtigen Presseverteilern, wird der Text dorthin gegeben.
Die Medienabteilung ist natürlich auch kreativ (bzw. kümmert sich daraum das auch der Inhalt didaktisch und inhaltlich verständlicher richtiger wird) und hat auch eine eigene Auffassung, welche CI und welche Gestaltung wichtig ist. So wird dann aus dem Text:
b1 ist in b. Es gibt die Einrichtung XY.

Nun ja.
Das Dumme an der Sache ist: Jeder wollte und gab nur sein Bestes; Jeder hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Somit kann man niemand richtig böse sein und wenn man die Arbeit kritisiert, fühlen sich die einzelnen Leute auf den Schlipps getreten.
Und es stimmt auch: Der Text als solcher ist -sieht man von der Relevanz des Inhalts ab, verständlicher geworden. Nur was bedeutet dies für die Relevanz?

Wenn ein Forscher einen Wissenschaftsartikel darüber schreibt, warum und in welchen Abständen Sonnenflecken entstehen und dabei keine der wichtigen physikalischen Formeln und Theoreme unberücksichtigt läßt, ist dies verständlich für seinesgleichen.
Aber nicht unbedingt für Fachfremde.

Ein Redakteur muss aus diesem Text nun das wesentliche herausziehen und ihn allgemeinverständlich machen, wenn der Text auch an ein breiteres Publikum gebracht werden soll.
Erschwerend kann hinzu kommen, daß der Redakteur gegebenenfalls an Rahmenbedingungen wie eine feste Anzahl der Worte gebunden ist oder/und selbst fachfremd ist.

Dies potentiert sich natürlich mit jeder folgenden Verteilungs- und Redigationsstufe.

Was also tun?

Mein Tenor: Do it the Wiki-Way!

Das alte Prinzip Form follows Function muss wieder höchste Priorität haben. Und zwar noch vor dem Dogma einer Corporate Design.
Eine Hochglanzbroschüre, und sei sie mit dem Goldrand vieler Awards versehen, taugt nichts, wenn der Inhalt nicht rüber gebracht wird. Und dies bedeutet auch, daß Inhalte lieber schnell und noch fehlerbehaftet herauskommen als wenn sie gar nicht, zu spät oder mit unhaltlichen Fehlern publiziert werden.

Die Gegenargumente von Pressestellen und Redaktionen sind hier natürlich immer:

  • Das macht einen unprofessionellen Eindruck!
  • Die Darstellung des Unternehmens nach Außen muß optimal sein und dem Corporate Design folgen.

Meines Erachtens ist es notwendig, daß diese Argumente und dabei beide Wege der Veröffentlichung („Wiki-Way“ vs. klassischer „redaktioneller Weg“) in ihrer nachhaltigen Wirkung auf den Kunden genauso wie in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit überprüft werden.
Relevant ist diese Abwägung auch und gerade bei der Auswahl und Konfiguration von Content-Management-Systemen.
Denn was nutzt ein theoretisch prächtiges 4-Augen-Konzept wenn es aufgrund von Zeitnot und wenig Personal nicht oder nur zu spät umgesetzt werden kann?

Eine redaktionelle Kontrolle ist jedoch dann richtig, wenn für diese ausreichend Zeit und Ressourcen bereitgestellt werden können. Wenn dies nicht der Fall ist, dann führen die Überarbeitung, der Zeitdruck und etwaige Rahmenbedingungen wie Wortzahl und Corporate Designs zu Problemen.
Redakteure müssen daher auch den Mut aufbringen, bei ebensolchen Bedingungen sich dafür entscheiden zu können, einen Artikel auch mal so „durchgehen“ zu lassen, wie er von der fachkompetenteren Stelle kommt.

Ein Tippfehler hat noch nie ein Unternehmen in die Pleite gezogen. Die werden kurz belächelt und unter „Humoristisches“ abgelegt. Schlechte Pressearbeit und überzogene oder übereilte Panikreaktionen auf veröffentlichte Fachartikel dagegen haben schon sehr häufig zu negativen Folgen geführt.