Hadmut Danisch hat vorgestern eine sehr ausführliche und gute Zusammenfassung über die Umstände und Hintergründe der Versuche eine „Internet-Kinderpornosperre“ in Deutschland einzuführen geschrieben: Wie die deutsche Internet-Kinderpornosperre zustande kam – und zugrunde ging.
Am Ende schreibt er eine Befürchtung:
Die Befürchtung ist, daß man durchaus einsieht, daß das Internet so nicht effektiv zu filtern ist, und man deshalb versuchen wird, von einem Netz zurück zu einer Sternstruktur zu kommen versuchen könnte, so wie es BTX und AOL waren, und wofür man das Internet – wie oben beschrieben – irrtümlich hielt. Sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, daß es gerade diese dezentrale und auf Paketen basierende Struktur des Internet ist, die das Filtern und Sperren so massiv erschwert, könnte das durchaus zu politischen Bestrebungen führen, genau das, wofür man es gehalten hat, herstellen zu wollen. Es gab ja kürzlich schon Vorschläge, die EU abzuschotten. Auch andere Länder wie China und einige islamische Länder trennen ihre Netze von der Außenwelt und reduzieren den Querverkehr strikt.
Ich teile die Befürchtung, daß selbiger Schlag von Menschen, die versuchten eine Zensurinfrastruktur aufzubauen, mit Zentralisierungsbestrebungen reagieren möchten. Und ich bin sicher, es wird auch genug Firmen geben, bei denen gegen Geld alles machbar wäre und die sich die Finger nach solchen Auftrag lecken würden. Diese Firmen werden durch durch Lobbying schon dafür sorgen, daß den Politikern stets ein gewisses Vögelchen unbegrenzte Möglichkeiten ins Ohr flüstert und von tollen Welten erzählt.
Ich hab jedoch die Hoffnung, daß das Potential der Kreativität von vielen Tausend IT-Entwickler größer ist als die Betrebungen von wenigen angestellten IT-Entwicklern auf der dunklen Seite der Macht :)
Als bspw. in Agypten das Netz abgetrennt wurde, dauerte es nur wenige Stunden, bis Umwege in Form von alten Mailboxen gefunden wurden. Und trotz einer Vollblockade in Syrien dringen doch auch Bilder und Videos aus dem Land.
Jede Art von Repression und Firewalls (sowohl im sozialen, im rechtlichen, wie im technischen) funktioniert nur dann, wenn sie Schritt hält mit der Kreativität derer, die Umwege und Alternativen suchen.
Irgendwann tappen die Hüter von Repression und Firewalls jedoch in die eigene Falle: Wenn die Firewalls wirklich ausreichend wirken, dann auch gegen die Leute, die sie aufrecht halten müssen. Und dies hat zur Folge, daß diese Leute selbst technisch, sozial und rechtlich still stehen, während die kreativen Leute weitermachen.
Dies ist auch der Grund warum der Roman „1984“ in meinen Augen nur mehr ein altes Schreckgespenst eines damals bereits kranken Autors ist, der zwar den Aufbau von Unrechtsregimen erlebte, jedoch nicht sah, wie eben solche Regime an ihrer Unflexibilität und Starrheit zusammenbrachen.
Die Evolution im IT-Bereich hat BTX und andere zentrale Ansätze hinweggefegt. Sie bringt Konzerne und Verwertungsgesellschaften mit veralteten Betriebskonzepten ins wanken.
Der immer weiter um sich greifende Gedanke von Open Access (in Deutschland ist der ja leider noch weit hinterher) dringt auch immer mehr in Bereich vor, die andere gern im Hinterzimmer geheim halten wollen.
Ein Artikel wie der von Hadmut Danisch würde vor 20 Jahren undenkbar gewesen.
Zu Zeiten von Strauß und co. müsste er sich dafür wahrscheinlich vor Gericht verteidigen. (Und ich mich dazu, weil ich diesen Kommentar schrieb und „Mitverschwörer“ oder „Mitstörer“ wurde.).
Von daher bin ich optimistisch.
Aber auch wenn man optimistisch ist, heisst es nicht, dass man naiv dem Treiben einer Machtclique zusehen muss. Es gilt weiter genau das zu tun, was Hadmut Danisch schon getan hat: Die Fakten gehören auf den Tisch und veröffentlicht.
Die Wahrheit ist nicht irgendwo da draußen – sie steckt in den Köpfen von Leuten, die sich noch nicht trauen, sie niederzuschreiben.
1 Kommentar zu “Internetzensur, Politik und Firewalls”
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